Ist der Islam universal?

Wahrscheinlich haben Sie das Gefühl, daß Sie eine klare Antwort auf die Frage brauchen, ob der Islam universal ist, weil Sie auf so viele einander widersprechende Gesichtspunkte unter Muslimen stoßen. Wenn Sie etwas erwarten, was so eindeutig ist wie die Aussage des Petrus (Apg 4,12), daß

es "keinen anderen Namen gibt unter dem Himmel als den Namen Jesu, durch den die Menschen erlöst werden", werden Sie enttäuscht. Weder der Koran noch der Muslim wird je eine solche Aussage machen. Alles, worauf Sie hoffen können, ist ein Verständnis, warum der Koran diese Aussage nicht macht und warum die Muslime einander widersprechen und manchmal auch sich selber widersprechen, wenn sie über die Universalität ihrer Religion reden.

Die Schwierigkeit besteht darin, daß es in Wirklichkeit zwei Islame im Islam gibt. Der eine begann mit Adam und der andere mit Mohammed. Wenn wir nun den ersten Islam, der mit Adam anfängt, den originalen Islam nennen, dann können wir den zweiten, der mit Mohammed begann, den arabischen Islam nennen.

Originaler Islam

Mohammed hatte am Anfang keine Streitigkeiten mit Christen oder Juden. Er ehrte sie. Er glaubte, daß sie die wahre Religion hatten. Und er sagte, sie sollten sich an ihre eigenen Bücher halten. In der ersten Phase seiner religiösen Unterweisung hat er im Grunde nichts gesagt, was die jüdischen Rabbiner und die syrischen Mönche nicht auch sagten. Er sagte nicht ganz so viel, wie sie sagten; aber was er sagte, war dasselbe, was sie auch sagten. Warum hat er sich dann nicht mit ihnen verbündet, jedenfalls mit der einen oder mit der anderen Gruppe, und ist Jude oder Christ geworden?

Es scheint so, als wenn Mohammed in den Jahren, in denen er nach der Wahrheit suchte und ehe der Engel Gabriel sich mit ihm in Verbindung setzte, von zwei parallelen Gedanken beeindruckt wurde.

Sayvid Abul Ala Maududi schreibt: (in: Towards Understanding Islam S. 47, Lahore) Das Grundprinzip aller Religionen ist dasselbe, nämlich der Glaube an einen einzigen Gott, die Gewißheit von Belohnung und Strafe nach den Taten und ein Leben des guten, friedfertigen, maßvollen und einfühlenden Handelns.

Mohammed hätte in seinen frühen Jahren wahrscheinlich diese Aussage unterschrieben. Heute sehen wir nicht Neues oder Überraschendes in der Idee, daß alle Religionen im Grunde gleich sind. Aber weder die Christen noch die Juden hatten diese Lehre; Tor Andrae meint in seinem Buch über Mohammed, diese Idee stamme von den Manichäern. Tatsache bleibt, daß er diese Idee hatte, woher auch immer.

Sure 3,66 sagt, daß Abraham weder Jude noch Christ war, sondern ein Hanif, d.h. ein Muslim. Was das Wort Hanif bedeutet, weiß man nicht genau, aber es wird immer verwendet gegen Götzendiener. Deshalb nimmt man an, es bedeutet jemand, der auf die eine oder andere Weise eine tiefere Einsicht in die Dinge des Geistes gewonnen hat und deswegen an die Einheit Gottes glaubt, an ein Leben nach dem Tode und an die Notwendigkeit einer gerechten Lebensführung, weil man für seine eigenen Taten Rechenschaft ablegen muß.

Der andere Gedanke, der diesen ergänzt, besagt: Damit dieser originale und natürliche Glaube an Gott auf der Erde nicht zugrundegehen und verschwinden sollte, hat Gott Warner, also Propheten, zu jeder Nation geschickt. Sie waren von Gott besonders berufen, den Leuten die Einheit Gottes und das Leben nach dem Tode einzuprägen und sie zu warnen, daß sie dem künftigen Zorn entgehen sollten. Sie alle unterrichteten oder lehrten die Wahrheit von der Einheit Gottes. Sie alle warnten das Volk vor dem Tag des großen Gerichtes, das kommen sollte. Einige Muslime nehmen die Zahl solcher Warner mit bis zu 124 000 an. Daran sieht man immerhin, daß sie diese Gestalten nicht so verstanden, als wenn sie nur innerhalb des Judentums auftauchten.

Damit haben wir offenbar eine Antwort auf die Frage, warum Mohammed weder Jude noch Christ wurde. Das war nämlich nicht nötig. Er war ja ein unabhängiger Araber. Er konnte daher genausogut ein Anhänger der ursprünglichen natürlichen Religion sein wie jeder Christ, Jude oder Zoroastrier. Manche Leute wundern sich, warum Mohammed Christus verworfen hat. Er hat das nicht getan. Was er von ihm wußte, konnte sich leicht in sein eigenes Bild wahrer Religion einfügen. Adam, Noah und Abraham waren echte Anhänger des Glaubens, und sie gehörten doch keiner Konfession an, nicht einmal als Propheten. Warum sollte Mohammed das tun?

Jetzt gibt es einen zweiten Punkt. Wenn Gott einen Warner zu jeder Nation sandte, warum bekamen die Araber keinen? Warum war es nötig, daß die Araber die Wahrheit bei anderen Völkern suchen mußten? Warum gab es keine Warnung und keine Lehre für die Araber in ihrer eigenen Sprache? In die vielen Geschichten von Warnungen, die anderen Völkern gesandt worden sind, schloß Mohammed zwei Leute ein, Hud und Zalil, die den wahren Glauben in der arabischen Halbinsel in vergangenen Zeiten gepredigt haben (vgl. Sure 7,9,11 etc.); aber die Leute, die sie gehört haben, waren ungehorsam und wurden vernichtet; keine Spur der wahren Religion blieb unter den Arabern, die dort entstanden war. Mohammed meinte, daß die wahre Religion universal sei, weil Gott seine Propheten über die ganze Erde hin gesandt hatte, die wahre Religion allen Nationen zu predigen. Diese wahre Religion bekam verschiedene Namen an verschiedenen Orten, sie äußerte sich in verschiedenen Sprachen und ist begleitet von einer großen Verschiedenheit der Rituale und Symbole. Wahre Religion war deshalb universal. In einigen Nationen ist die Wahrheit verlorengegangen, und deswegen mußten Warner gesandt werden. In anderen Nationen war noch kein Warner aufgetreten. Trotzdem war die wahre Religion im ganzen universal verkündigt worden.

Ein Mann mit solchen Ideen, wird sich natürlich mehr mit der Hoffnung auf einen arabischen Warner beschäftigen, als mit der Überlegung, ob er einen der nicht-arabischen Propheten annehmen soll.

Es geht hier nicht um den Versuch, Mohammeds Sendungsbewußtsein psychologisch abzuleiten. Sein ganzes Verhalten nach dem ersten Schock der Berufung spricht gegen eine solche Theorie. Aber wir stoßen hier auf die Tatsache, daß, als Mohammed dem Engel Gabriel begegnete, er gar nicht auf den Gedanken kommen konnte, er sei berufen, Prophet einer neuen Religion zu werden. Immer wieder sagt Mohammed, daß er nur ein Warner ist, gerade wie die anderen Warner, die vor ihm aufgetreten waren.

Dasselbe gilt für den Koran. In Sure 12 kann man lesen: Einen arabischen Koran haben wir niedergesendet, damit Ihr es verstehen könnt.

Die Ironie der Situation ist nun, daß heute Kinder in der ganzen Welt den Koran auswendig lernen, um ihn zu rezitieren, ohne ein Wort davon zu verstehen. Aber zu der Zeit, als dieser Vers geschrieben wurde, muß die Idee Mohammeds gewesen sein, daß jetzt die originale, natürliche Religion von Adam, Noah, Abraham und Hunderten anderer Propheten die Araber in ihrer eigenen Sprache erreicht hätte. Jetzt gab es keine Entschuldigung mehr für sie, noch länger in der Sünde des Götzendienstes zu verbleiben. Jetzt müßten sie den Islam annehmen, die Religion, die schon seit den Tagen Adams in der ganzen Welt angenommen war.

Wenn Sie jemals mit Muslimen Kontakt gehabt haben, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, daß Sie diesem Argument begegneten. Es hört sich an, als wenn der Muslim nur darum bittet, daß der Christ ein bißchen weitherziger ist. Er soll dann den Islam anerkennen als den legitimen Ausdruck der einen und natürlichen Religion, die zu dem einen Gott gehört. Er wird Sie einen Ahl-i-Kitab nennen (jemand, der zur Gemeinschaft eines Buches gehört); er wird mit Ihnen auf seinem eigenen Niveau Kontakt aufnehmen und sogar mit Ihnen essen. Er wird vielleicht eine christliche Frau heiraten - ohne den Versuch, sie zum Islam zu bekehren. Er wird Ihnen erzählen, daß Jesus im Jüngsten Gericht Fürbitte für Sie tun werde, so wie Mohammed Fürbitte für ihn tun wird. Und er wird Ihre Zusammenarbeit als Bruder im wahren Glauben verlangen, um gegen dies weltweite böse Ding, den Kommunismus, zu kämpfen.

Aber schauen Sie einen Moment genauer hin. Wenn er sagt, daß Islam und Christentum große Zweige am Baum der wahren Religion sind, dann sagt er nicht nur etwas über den Islam, sondern auch etwas über das Christentum. Er erzählt Ihnen, daß Ihr Herr nicht der Sohn Gottes ist, nicht der Heiland der Welt, nicht im endgültigen Sinn der Weg, die Wahrheit und das Leben. Er sagt Ihnen, daß in Wirklichkeit nichts Einzigartiges an Jesus von Nazareth ist. Jesus ist einer von den 6 großen Propheten, einer von den 313 Propheten, die Bücher gebracht haben, einer von den 124 000, die Gott in alle Welt geschickt hatte. Jemand, der Christus treu ist, kann diese muslimische Idee von wahrer Religion nicht annehmen. Vor zwanzig Jahren wäre es kaum nötig gewesen, etwas in diesem Sinn zu schreiben. Heute aber, weil viele Leute sich vor dem Kommunismus fürchten, gibt es eine Richtung, in der Christen bereit sind, sich mit Muslimen zu verbünden, weil sie doch beide viel zu verlieren haben, wenn der Kommunismus die Oberhand gewinnt.

Dieser originale Islam, der mit Adam begonnen hat, ist in Wirklichkeit heute nur eine freundliche Theorie, die in Wirklichkeit aber von einer vollständig anderen Auffassung der Dinge überholt ist.

Arabischer Islam

Zu Anfang wollen wir die Vorstellung näher betrachten, daß jeder Nation ein Warner gesendet wird. Sie findet sich im Koran, fügt sich aber nicht mit den Tatsachen zusammen. Mohammed hatte Kenntnis von arabischen, ägyptischen, syrischen und abessinischen Christen. Er wußte auch etwas von römischen, persischen und byzantinischen Christen. Die Tatsache ist also, daß er von mindestens sieben Nationen wußte, die auf allen Seiten von Arabien lagen und doch ein und denselben "Propheten", d.h. unseren Herrn, hatten. Außerdem wußte er, daß mit sehr wenigen Ausnahmen alle Propheten zum Hause Israel gesandt worden waren und daß die Juden in Medina niemals die Möglichkeit zugeben würden, daß ein Prophet außerhalb Israels auftreten würde. Weder Juden noch Christen hätten seine Auffassung von Religion angenommen und seine Theorie, daß ein Prophet für jede Nation aufstehen muß. Deshalb beginnt er seine Polemik gegen diese beiden Gemeinschaften. Er ficht nicht gegen ihre Propheten oder gegen ihre Bücher, sondern gegen die Leute, die nach der Auffassung Mohammeds die Lehre der Bücher verfälschen und verderben.

Alles, was notwendig war für die Menschen, was sie wissen und in Erinnerung behalten sollten, ist im Koran enthalten. Der Koran wird eine Lehre für alle Menschen, eine Warnung für alle Kreaturen. Und schließlich findet man, daß Mohammed sich selber als das Siegel der Propheten bezeichnet, d.h. er ist der letzte Prophet, den Gott der Menschheit sendet. Was nun aus der Theorie geworden ist, daß ein Prophet zu jeder Nation geht, das weiß niemand. Die Muslime kommen um diese Frage herum, indem sie sagen, vor Mohammed gab es einen Propheten für jede Nation; als er gekommen war, bestand kein Bedürfnis mehr nach weiteren Propheten.

So ergibt sich natürlich, daß, wenn Mohammed der letzte der Propheten ist und der Koran das letzte der Bücher, das vom Himmel gesandt wurde, dann müssen beide universal angenommen werden. Abraham galt zuerst weder als Jude noch als Christ, sondern als Hanif, als Muslim, als ein Mann, der eine tiefe Erkenntnis der Einheit Gottes erreicht hatte, und so wird er verwendet als Beispiel für den wahren, universalen Islam. Wenn Paulus Abraham verwendet als das leuchtende Beispiel des Glaubens, dann nennt er ihn den Vater aller, die Glauben haben. Mit anderen Worten, seine Verwendung dieses Begriffs ist rein geistlich. Mohammed hat zunächst ähnlich argumentiert; aber später beharrte er auf einer physischen Linie der Abstammung. Ismael und seine Mutter bekommen eine stärkere Bedeutung. Die Ka'aba ist gebaut - oder besser wieder erbaut - durch Abraham. Der heilige Brunnen Zamzam gibt heute wie damals das Wasser für Ismael; jedes Jahr erinnert das große Fest des Opfers alle Nachfolger des Propheten, daß Mohammed ein physischer Nachkomme des großen Hanifen Abraham ist.

Welche religiöse Bedeutung die Botschaft des Islam auch haben mag, ihre grundlegende Natur ist politisch-theokratisch, von Anfang an. Alle Propheten des Judentums, die Mohammed erwähnt, waren Führer ihres Volkes und keineswegs Propheten in unserem Sinn des Wortes, und es ist nun schwierig zu sagen, wann Mohammed zu dem Schluß kam, daß "ein Prophet sein" nicht nur bedeutet, ein Warner zu sein, sondern auch der Leiter der Kräfte, die die Botschaft durchsetzen müssen. Soviel wissen wir doch, daß die Anhänger der neuen Religion Mohammed nicht nur als ihren Propheten annahmen, sondern auch als ihren politischen Leiter, dem sie Gehorsam schworen. Vergessen Sie nicht, daß nicht wenig in der Geschichte des Islam uns ganz mächtig an das erinnert, was in der römischen Kirche geschah. Noch heute ist der Vatikan auch ein politischer Staat mit Botschaftern aller möglichen Nationen bei seiner Regierung - wie jede andere Nation auch. Daß die weltliche Macht der römischen Kirche militärisch gleich null ist, ändert nichts an der Tatsache, daß die Römer immer noch glauben, der Papst sollte sowohl geistliche als auch weltliche Macht besitzen.

Mohammed erreichte es, ganz Arabien unter seiner religiös-politischen Fahne zu vereinigen. Als er starb, retteten Abu Bakr und Omar die neue Nation aus der Gefahr, in Stücke zu zerfallen, und begannen sofort mit Eroberungskriegen. In jenen Tagen war es keineswegs etwas Ungewöhnliches, wenn eine Nation ihr Glück mit Eroberungen versuchte. Praktisch waren alle größeren Nationen ständig dabei, Krieg zu führen, um Land zu erobern. Ein theokratischer Staat hatte noch einen zusätzlichen Impuls, um die Armeen vorwärts zu treiben. Sie führten ihren Kampf auf dem Weg Gottes, für den Ruhm Gottes und den Islam. Wenn sie auf dem Kampffeld fielen, dann hatten sie die Gewißheit, direkt ins Paradies zu kommen, ohne daß Fragen gestellt würden; und wenn sie auf dem Schlachtfeld gewannen und am Leben blieben, dann bekamen sie einen erheblichen Anteil an der Siegesbeute. Damals wie immer gab es viele Leute, die durchaus bereit waren, die neue Religion anzunehmen, wenn ihnen das einen Anteil der Beute einbrachte und sie nicht unter demütigenden Bedingungen der Unterwerfung leiden mußten, die der Eroberer ihnen auferlegte. Schon in der Regierungszeit Omars wurden so viele Nicht-Araber Muslime und verbündeten sich mit den Arabern, daß man die Gesetze über die Beuteverteilung ändern mußte, so daß nur die arabischen Muslime wirklich einen Anteil der Beute bekamen. Die Tatsache der Universalität des arabischen Islam ergab sich infolge der erfolgreichen Eroberungen des theokratischen arabischen Staates, völlig unabhängig davon, welche Theorien man im Koran finden kann.

Weil diese Kriege erfolgreich waren, wurde der arabische Islam universal. Niemand will bezweifeln, daß Abu Bakr und Omar, gefolgt von vielen anderen, getan haben, was der Prophet auch selber getan haben würde, wenn er gelebt hätte. Sie wichen nicht ab von der Linie des Denkens und Handelns, die Mohammed begonnen hatte.

Moderner Islam

Jeder Kenner des Islam weiß, daß dieser heute eindeutig in einer Krise ist; diese Krise entstand nicht von innen heraus, sondern durch den Kontakt mit der Moderne. Viele muslimische Autoren sind eifrig daran, den Islam neu zu interpretieren, so daß er intakt bleiben und seine Stellung als Weltmacht trotz seines evidenten Mangels an Elastizität behalten kann. Diese Autoren bedauern ständig die angebliche Tatsache, daß der Islam eine Weltreligion sei.

Mir sind drei Weisen des Argumentierens deutlich geworden, von denen eigentlich keine etwas mit dem Koran zu tun hat, obwohl jede reichlich mit Koranversen als Beweistexten unterstützt wird. Die entscheidende Prägung des Systems, nämlich die Überzeugung, daß der Islam als totale Ordnung universal, etwa ein Weltreich, werden sollte, hört sich in unseren Tagen nicht so gut an und wird deshalb verschwiegen. Aber mit Eifer und Nachdruck wird behauptet, daß der heilige Krieg, der Jihad, der Kampf für Gott, niemals Eroberung, sondern immer nur Selbstverteidigung war. Die alte arabische Formel, die die Welt teilt in das "Haus des Islam" und das "Haus des Krieges", wird wieder so umgedeutet, daß sie den Sinn bekommt, daß das Haus des Islam nur den Teil der Welt als das Haus des Krieges betrachtet, der Angriffe gegen Freiheit und Unabhängigkeit des Islam ausheckt. Der Rest der Welt, der dann weder "Haus des Islam" noch "Haus des Krieges" ist, kann ruhig in Frieden weiterleben; er möge versichert sein, daß der Islam keine Absicht hat, ihn anzugreifen. Moderne Muslime haben aber rasch das Wesentliche am islamischen System beiseite gelegt. Nun suchen sie zu zeigen, warum der Islam als Weltreligion anerkannt werden sollte. Die drei Argumentationsweisen, mit denen man das versucht, sind folgende: a) Nützlichkeit, b) internationale Prophetie, c) universale Brüderlichkeit.

Die erste Grundthese besagt, daß die Hauptlehren, Gesetze, Regeln und Ordnungen des Islam solcher Art sind, daß man, falls man sie für die ganze Welt anwenden würde, keine bessere Lösung für innere und äußere Probleme finden könnte. (z.B. Zaki Ali,"Islam in the World" Lahore 1947)

Der Islam ist universal einfach deswegen, weil seine Lehren sich universal anwenden lassen und besser sind als alles, was die Welt bisher gekannt hat.

Es fängt damit an, daß der Islam "einfach in seinem Ritual ist und wirksam in seiner Frömmigkeit". Nichts könnte wirksamer sein als einen Monat zu fasten, um sich selbst zu reinigen, denn "wenn ein reicher Mann fastet, dann lernt er die Leiden der Hungrigen zu verstehen, und er lernt die Bedürfnisse des Armen zu erfüllen". "Almosengeben entsprechend dem Geist des Islam läuft darauf hinaus, daß man einen Ausgleichsfonds für menschliche Beziehungen schafft, der der Förderung der entrechteten Klassen zugute kommen soll." Und es ist charakteristisch für den Islam als eine Lehre, daß er eine glückliche Harmonie zwischen Religion und Leben bewahrt; er "befriedigt gleicherweise die materiellen wie auch die spirituellen Bedürfnisse des Menschen."

Die Sache funktioniert, deshalb ist sie richtig; bitte, nehmen Sie sie an. Das einzige, was man sagen kann, um diese Art von Propaganda für die Universalität des Islam zu beantworten, ist das Folgende: In Wirklichkeit funktioniert sie nicht und hat auch nie funktioniert. Die Verfasser möchten natürlich und mit Recht eine Transformation dieser Art in der islamischen Welt sehen, aber Kraemer hat recht, wenn er sagt: "Es gibt in den islamischen Ländern leider keine innere Kraft, die genug moralische Klarheit und Entschlossenheit bewirkt, um diese Transformation durchzusetzen." Die Universalität des Islam ist, wenn man sie mit der Praxis und der Nützlichkeit begründet, nichts als eine leere Forderung. Und es ist höchste Zeit, daß Leute, die den Alltag des Islam kennen, den Mund aufmachen und dieses Wunschdenken entlarven.

Es gibt andere muslimische Autoren, die nun wohl wissen, daß Nicht-Muslime eine Menge Kenntnisse von den tatsächlichen Verhältnissen in muslimischen Ländern haben. Sie gründen ihre Hauptargumente für die Universalität des Islam nicht auf praktische Resultate, die der Islam bringt, sondern auf den Propheten selber.

Diese Autoren haben normalerweise christliche Theologie oder Kirchengeschichte studiert. Der Versuch, Mohammed als universalen Propheten zu sehen, hat sein Gegenstück in der Anschauung von Jesus Christus als dem einen und einzigen Heiland der Menschheit.

Als die Welt noch jung war und kleine Stämme zerstreut und isoliert lebten, sandte Gott Propheten zu jedem dieser Stämme. Diese Propheten kann man nationale Propheten nennen. Es war ihre Aufgabe, die Leute in der reinen und echten Religion von Adam, Noah, Abraham zu unterweisen und sie zu warnen wegen der Folgen, wenn sie nicht gehorsam wären. Gleichzeitig sollten sie die Gemüter der Leute vorbereiten, soweit das menschlich möglich war, auf das Kommen eines großen, endgültigen, internationalen Propheten. Einige von ihnen hatten Offenbarungsbücher vom Himmel, andere hatten keine. Der echte Muslim glaubt an Propheten, das ist ein Teil seines Glaubensbekenntnisses, und er glaubt an Bücher. Deshalb ehrt und verehrt er alle Propheten, ob er ihren Namen kennt oder nicht, denn das waren mächtige Gottesmänner in ihrer eigenen Zeit und Generation.

Als die Welt älter wurde, wurde sie kleiner. Verkehr und Verbindungen wurden weitreichender. Die Bedürfnisse der Nationen fingen an, ineinander zu fließen. Und die Menschheit, die von den nationalen Propheten schon erhoben und gefördert war, kam an einen Punkt, wo sie in der Lage war, die Bedeutung eines internationalen Propheten mit einer internationalen Botschaft zu verstehen. Dann, in der Fülle der Zeit, sandte Gott diesen Propheten, nämlich Mohammed, nach Arabien, in ein geographisch zentrales Land. Für Mohammed sandte er dann das endgültige Buch, nämlich den Koran, in dem die notwendige und ewige Lehre aller anderen Propheten eingeschlossen war. Deshalb ist der Koran die endgültige Lehre von Gott, gültig für jedermann und überall.

Es gibt natürlich immer Leute, die ihren eigenen nationalen Propheten vollständig mißverstanden haben. Die Juden zum Beispiel klammern sich an ihre alten Offenbarungsbücher, als ob sie ewige Gültigkeit hätten, obwohl sie es doch ganz klar aussprechen, daß noch ein großer, endgültiger Prophet kommen soll, wie Moses einer war. Und die Christen auf der anderen Seite sind in die Sünde gefallen, die damals so verbreitet war, daß sie ihren Propheten vergöttlicht haben, obwohl er selber ja niemals beansprucht hat, etwas anderes zu sein als ein nationaler Prophet wie all die anderen nationalen Propheten. Die Idee der Vergöttlichung brachte dann die Idee der Universalität mit sich.

Deshalb ist es die Pflicht jedes wahren Muslims, Juden und Christen zu helfen, daß sie jetzt die Irrtümer ihrer Vorfahren sehen und den endgültigen internationalen Weltpropheten und seine Lehre annehmen. Wenn sie das tun, dann verringern sie nicht die Bedeutung der nationalen Propheten, denn jeder von diesen hat ja vorhergesagt, daß der internationale Prophet kommen werde, der die endgültige Offenbarung für alle Menschen bringt. Das heißt, wenn sie nur die Lehre ihrer eigenen nationalen Propheten annehmen würden, dann würden sie sich dem perfekten Menschen, dem internationalen Propheten Mohammed, zuwenden. Diese Theorie ist eine Mischung des "originalen Islam" der ersten Tage Mohammeds und des "arabischen Islam" seiner späteren Tage. Diese Theorie umgeht die Tatsache, daß ein Widerspruch zwischen beiden besteht, und ignoriert den religiös-politischen, den theokratischen Staat, den der arabische Islam als wesentlich fordert. Mit anderen Worten, sie spiritualisiert die politische Konzeption gröblich. Aber gerade diese politische Konzeption vom Islam ist eine geschichtliche Tatsache und hat den Islam so universal gemacht.

Die dritte Argumentationsweise betont die universale Brüderlichkeit. Die Übel dieser Welt sind alle auf das Prinzip der Isolierung zurückzuführen. Der Mensch ist der größte Feind des Menschen. Habgier, Machtlust, Haß, Vorurteile, Mißtrauen, Ausbeutung wachsen alle aus dem großen, universalen Fehler im Menschen, nämlich der Isolierung.

In dieser natürlichen Verfassung ist die Religion oft mißbraucht worden als Mittel, die Isolierung zu vermehren, denn die Religion war ja meistens national oder gruppenbezogen und ist oft als Vorwand für Kriegsführung verwendet worden. Juden und Christen sind schuldiger als andere Gruppen, diesen Geist der Isolierung lebendig erhalten zu haben.

Mohammed aber legte durch Gebot und Vorbild das neue Gesetz fest, daß es keinen Unterschied der Rasse, der Kaste, der Farbe, der Stellung, der Sprache, der Privilegien unter den Kindern Adams gäbe. Mohammed machte keinen Unterschied zwischen sich selber und seinem ärmsten Sklaven. Es war ein Neger, der als erster die Aufgabe bekam, zum Gebet zu rufen. Die Menschheit ist eine große, universale Bruderschaft mit grenzenloser Freiheit des Geistes, wie der Prophet ja doch gelehrt hat. Wenn nur die Nationen überall und die einzelnen Bürger der Nationen endlich diese Tatsache der Bruderschaft aller Menschen als universal annehmen würden, wäre der erste Schritt getan, die Probleme unserer komplizierten und hektischen Zeit zu lösen. Aber der Mensch wird niemals in der Lage sein, den Sieg über die Sünden der Isolierung zu gewinnen, ehe er mit den Augen des Glaubens die Wahrheit der universalen Brüderlichkeit in der Offenbarung sieht. Ehe die universale Bruderschaft eine aktive, entscheidende Kraft in der Welt werden kann, muß man an sie glauben, weil sie der Sinn des Lebens auf der Erde ist. Diese Offenbarung, an die man glauben muß, kam durch Mohammed und wurde in aller Welt verbreitet in der Lehre des Islam.

Leider herrscht auch hier Wunschdenken. Die muslimische Geschichte kann Ihnen zeigen, daß Muslime im arabischen Staat und später im islamischen Großreich dieselben beklagenswerten diplomatischen und politischen Tricks verwendeten wie alle anderen Nationen auch. Sie kämpften ihre Kriege auf demselben Niveau wie alle anderen. Die Geschichte wird auch zeigen, daß Mord und Machthunger, Falschheit und alle anderen Bosheiten genauso offenkundig waren innerhalb der muslimischen Gemeinschaft wie außerhalb. Außerdem wissen wir ja alle ganz gut, daß die Muslime, jede Gruppe in ihrem Distrikt, eine sehr eng verwobene Gesellschaft sind; aber das ist eher eine kooperative Versicherung dieser Gruppe als eine Bruderschaft. Man unterstützt sie, weil man selbst etwas davon hat, nicht, um einem schwachen Bruder zu helfen. Wer hat jemals eine kurze Weile nur unter Muslimen gelebt und weiß noch nicht, daß diese sogenannte Bruderschaft gerade die Macht ist, die Leute hindert, eine freie Entscheidung in Sachen Religion zu treffen?

Nach Betrachtung aller Argumente bleibt immer noch eine klare Tatsache. Soweit, wie der Islam heute universal ist, ist er das, weil er ein theokratischer Staat ist, der siegreich war in Eroberungskriegen. Wenn Muslime heute wieder erwachen und den Islam als Weltreligion vertreten, kann niemand eine klare theologische Darlegung seiner Universalität geben, wenn nicht die theokratische Staatsauffassung des Islam festgehalten wird. Der Anspruch auf Universalität sowohl vom Islam als auch vom Christentum kann niemals bewiesen oder verworfen werden, indem man die guten Punkte des einen und die schwachen Punkte des anderen aufzählt. Im letzten Grund muß die Forderung nach Universalität sich auf die Forderung gründen, die Wahrheit zu bringen, denn alles, was in einem unbedingten Sinn wahr ist, ist notwendigerweise universal wahr.