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Die Suren der ersten Periode

Die Suren diese Zeitabschnittes glaube ich mit einiger Sicherheit an ihrem Stil zu erkennen. Die Gewalt der Begeisterung, die den Propheten in den ersten Jahren bewegte, die ihn gottgesandte Engel im Gesicht schauen ließ, mute sich auch im Qoran ausdrücken. Der Gott, der ihn erfüllt, redet selbst, der Mensch tritt ganz zurück wie bei den großen alten Propheten Israels 1. Die Rede ist großartig, erhaben und voll kühner Bilder, der rhetorische Schwung hat noch ganz poetische Färbung. Die leidenschaftliche Bewegung, die aber nicht selten durch einfache, jedoch kraftvolle, ruhige Belehrungen und farbenreiche Schilderungen unterbrochen wird, spiegelt sich in den kurzen Versen, die ganze Rede ist rhythmisch beset und oft von großem, aber durchaus ungesuchtem

1 Vgl. H. Ewald, Propheten des A.B.I. 2, 31ff. In der älteren Zeit ist diese Redeweise bei Muhammed nicht eine bloße äußere Form, sie hat vielmehr eine tiefe Bedeutung; anders freilich später.


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Wohlklange. Die Gefühle und Ahnungen des Propheten äußern sich zuweilen in einer gewissen Dunkelheit des Sinnes, der überhaupt mehr angedeutet, als ausgeführt wird. Eine eigentümliche, aber charakteristische Erscheinung sind die in dieser Periode sehr häufig - 30 mal, dagegen in medinischen Suren nur 1 mal, Sur 64, 7 - vorkommenden Schwüre, durch welche Muhammed besonders im Anfange der Suren die Wahrheit seiner Reden bekräftigt. Ebenso wie Sag ‘hat er diesen' Brauch den heidnischen Kahinen abgesehen, welche ihre Aussagen durch feierliche Schwüre einzuleiten pflegten und hierbei weniger die Götter zu Zeugen anriefen als die verschiedensten Naturobjekte 1, wie Landschaften und Wegemale, Tiere und Vögel, Tag und Nacht, Licht und Finsternis, Sonne, Mond und Sterne, Himmel und Erde 2 In seiner Eigenschaft als Gesandter Allah's schwört Muhammed außerdem bei der Offenbarung (36, 38, 43, 44 50, 52, 68), bei Auferstehung (S. 75), beim jüngsten Tage (S. 85) und bei seinem Herrn 3. Am meisten Schwierigkeit bereitet, nicht nur den muslimischen Exegeten 4 von je her, sondern auch noch uns, das Verständnis einer dritten Kategorie von Formeln, in denen bei einer Mehrheit weiblicher 5. Gegen

1 Die Frage, inwieweit diesen Formeln ursprünglich animistische Vorstellungen zugrunde liegen muß heir unerörtert bleiben.

2 Satth: His. 10,14, 11, 5, 11f.; Mustatraf bab 60; Mas'udi III, 394. Siqq: His. 12, 1. I Atir, Kamil II, 11; Maqrizi ed. G. Vos (Leiden 1888) p. 10; Mustatraf a.a.O. : Mas'udr III, 381. Musailima: Tabari I, 1933, 3f., 12f. Tuhaiha: Tabari 1897, 9f; vgl. hiermit Sura 52, 85, 86, 75, 68, 89, 92, 93, 103, 95.

3 Im Munde Muhammeds selbst nur 34, 3, 64, 7, 51, 23; wo sonst im Qorane bei Gott geschworen wird, sind andere Menschen (37 54, 26, 97, 21, 58, 12, 73, 85, 91, 95), oder Gott (19, 69, 4, 68, 70, 40), oder der Satan (38, 83) redend eingeführt. Abgesehen von S. 4, 65, 68 gehören alle diese Stellen der mekkanischen Periode an.

4 Daher screib Ibn Qaiyim al-gauziya (751, vgl. C) Brockelmann, Gesch. Arab. Lit. II, 105ff.) Ein Buch unter dem Titel "Die Erläuterung über die Schwüre des Qorans" (H. Ch. nr. 2401).

5 Sura 37, 51, 77, 79, 100.


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stände oder Wesen geschworen wird. Indessen hat auch diese Art ihre außerqoranische Parallele 1. Die meisten Suren dieser Periode sind kurz - von 48 Suren haben 23 weniger als 20 und 14 weniger als 50 Verse - da die hohe Bewegung der Seele, welche sie hervorrief, nicht lange anhalten konnte.

Wenn nun Muhammed unter seinen nüchternen Landsleuten dergleichen Offenbarungen vortrug, so konnte es nicht ausbleiben, daß er von den meisten für einen Wahnsinnigen oder für einen Lügner gehalten wurde. Man nannte ihn einen übergeschnappten Poeten, einen mit den Ginnen verbündeten Wahrsager 2 oder einen Besessenen (magnun). Diese Ansichten, von deren letzterer er anfangs wohl selbst nicht ganz frei war 3, mußte er natürlich mit aller Gewalt der Rede bekämpfen, nachdem er sich unzweifelhaft als Gesandten Gottes erkaunt hatte. Überhaupt spielen die heftigen, bis zur Verfluchung gehenden Angriffe gegen seine Widersacher, aus denen er einige persönlich hervorhebt, einmal sogar mit Hinzufügung des Namens (vgl. unten zu Sura 111), eine große Rolle in diesen Suren.

Muir stellt die eigentümliche Ansicht auf, es gebe 18 Suren, die vor die Berufung durch Sur. 96 fallen und erst später in den Qoran gesetzt seien in ihnen rede Muhammed noch in eigner Person, nicht Gott, der erst in Sur. 96 redend eingeführt werde. Offenbar hat der englische Forscher durch nähere Bekanntschaft mit den Quellen eine gewisse Zuneigung zu dem Propheten gewonnen und sucht ihn deshalb, wenigstens eine Zeit lang von dem Verbrechen frei zu halten,

1 Tabari I,1934,3-5 (Musailima).

2 Gewiß glaubten die alten Araber an eine besondere Verbindung des Kahin mit den Ginnen; aber freilich hatte dieser Glaube nicht die von den Muslimen ihm gegebene Gestalt, nach der die Ginnen und Satane gen Himmel stiegen, hier auf die Reden der Engel lauschten und diese den Wahrsagern mitteilten. Vgl. J. Wellhausen, Reste .arabischen Heidentums S. 137.

3 His. 154; Tab. I, 1152; Bh. an mehreren SteIlen, besonders im bab al-wahy; Ibn Sa'd ed. I, 1 p.130, 10.


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daß er in Gottes eignem Namen auftrete 1. Aber diese Ansicht hat durchaus keine positiven Gründe für sich, streitet gegen die Überlieferung und läßt sich bei einigen Suren geradezu widerlegen. Wenn Muhammed in vielen derselben gegen die Feinde der Religion, gegen die Widersacher spricht, welche den von ihm gepredigten Glauben für falsch erklären und dagegen die Gläubigen hervorhebt, so können sie nicht zu einer Zeit entstanden sein, wo er mit sich selbst noch nicht im Klaren war, sich noch nicht als den Propheten Allah's erkannt, noch nicht den Glauben verkündet hatte. Gleich Sur. 103, welche Muir wohl nur deshalb für die älteste hält, weil sie in ihrer jetzigen Gestalt die allerkürzeste ist, handelt von den Feinden Muhammeds (v.2) und von seinen Anhängern, die da glauben und sich gegenseitig zur Geduld bei den Verfolgungen ermahnen (v. 3). Sie kann demnach erst entstanden sein, als sich nach der öffentlichen Predigt die Gegensätze geschieden hatten. Ähnliche Stellen finden sich in den von Muir genannten Suren mehrfach, z. B. Sur. 82, 9; 92, 16 usw. Dahin gehören auch die Stellen, in denen Muhammed als warnendes Beispiel für die Gegner von dem Untergang der Feinde Gottes in frühern Zeiten spricht (Sur. 89,6ff.; 91, 11ff.; Sur. 105). Endlich ist es nicht einmal wahr, daß Gott in diesen Suren nie selbst redend aufträte. Denn wenn wir auch alle Stellen, in denen Muhammed angeredet wird, mit Muir II, 60 für Selbstgespräche erklären und keine Rücksicht auf diejenigen Verbalformen nehmen wollten, welche sich durch bloße Veränderung der diakritischen Punkte aus der ersten in eine andere Person verwandeln lassen (z. B. für nsw.), so bleiben doch noch folgende Stellen übrig: Sur. 90, 10; 94, 2; 108,1; 95, 4.5. In diesen erklärt Muir (S. 62) das Auftreten Gottes für eine poetische Fiktion. Warum tut er denn das nicht auch anderswo? Man könnte nun noch einwenden, jene Stellen wären später absichtlich verändert. Aber einer bloßen,

1 Life of Mah. II, 75.


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durch keine haltbaren Gründe unterstützten Hypothese zu Liebe darf man sich doch nicht zu neuen, ebenso unbeweisbaren Annahmen verleiten lassen.

Wir können daher, wenigstens in Muir's Ansicht, keinen Grund finden, von der bei den Muslimen fast allgemein angenommenen Überlieferung 1 abzugehen, nach der Sur. 96, 1 bis 5 der älteste Teil des Qorans ist und die erste Berufung Muhammeds zum Prophetenamt enthält. Da die Offenbarung dieser Verse mit einer Vision oder einem Traume zusammenhing, so können ihm selbst vielleicht schon kurze Zeit nachher die einzelnen Umstände nicht mehr genu vor der Seele gestanden haben. Doch weniger dürfen wir uns auf die Berichte der Muslime über sie vollständig verlassen. Der bekannteste derselben ist die Tradition, welche 'Urwa b. Azzubair von 'Aisa empfing 2 'Aisa ist aber sehr unzuverlässig, überdies kann ihr Muhammed erst lange nachher von jenem Ereignisse erzählt haben, da sie zur Zeit desselebn noch gar nicht geboren war. Nach dieser Tradition begann die Offenbarung mit untrüglichen Visionen die den Propheten erleuchteten gleich dem Erglänzen des Morgenrots. Darauf zog er sich in die Einsamkeit des Berges

1 His. 152f; Ibn Sad ed. I, 1p. 130f.; Bh, tafsir; Muslim I, 113 Q II, 38ff (bab b' al-wahy); Azraqi 426f.; Tab I 1114;f Mas'udr IV, 133; F. und andere Kommentare zu Sur. 96; Wah. in der Einleitung; Mis'k. 513f. (521f. bab al-mabat wabad' , al-wahy Anfang); Itq. 52f. usw. usw.; vgl. Caussin I, 354; Weil 45f.; Muir II. 85; Spr Life 95f. Leben j, 297f. und besonders Journ. As. Soc. Bengal XIX, 113ff.; Leone Caetani a. a. O.I, 220-22;.Wenn einige schlechthin die Sura 96 als die älteste nennen, so ist dies nur ein Ausdruck. Viele sagen ausdrücklich daß nur die ersten 5 Verse so alt, und die andern erst später geoffenbart seien. Bh. bsb bad' al-wahy nennt nur die drei ersten verse.

2 Der Wortlaut dieser Tradition, der bald kürzer. bald länger ist, und im einzelnen viele Varianten hat, findet sich bei Bh. Muslim a.a. O.; Wah.. a. a. O.; Tabari I, 1147ff.; Azraqi a.a. O.; F. a.a. O; Misk. a. a. O. Itq. 52; verkürzt bei Ibn Sad a. a O. His. 151. Vgl. Journ. As. Soc. Bengal XIX, 113f. Ebendaselbst 114f steht eine andere Gestalt derselben, die aber Sprenger mit Recht für ausgeschmückt und verworren erklärt. Einen ansführlichen Überblick über die hierher gehörenden Traditionen gibt Sprenger Leben I 330-349


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Hira'1) zurück. Als er daselbst längere Zeit ein andachtsvolles Leben geführt hatte, erschien der Engel (2) und befahl ihm: "Rezitiere!", worauf er antwortete: "ich kann nicht rezitieren". Da bedrängte ihn 3) der Engel gewaltig und wiederholte den Befehl. Nachdem dies alles dreimal geschehen war, trug endlich der Engel jene fünf Verse vor. Muhammed erschrak heftig darüber und begab sich eilig zu seiner Gattin Hadiga, um bei ihr Trost zu kuchen.

Eine andere, gewiß ursprünglich aus derselben Quelle stammende Tradition, welche sich bei Ibn Hisam 151 ff., Tabari I, 1149f findet und von 'Ubaid b. 'Omair b. Qatada ausgeht, zeichnet sich dadurch aus, daß sie deutlich erwähnt, dieses Ereignis sei ein Traum gewesen. Als Muhammed aus diesem erwachte, hätten sich die Worte der Offenbarung schon in sein Herz eingeprägt. Dazu fügt sie noch die Bemerkung, Gabriel habe ein seidenes Tuch gebracht, auf dem Worte standen, die er lesen sollte (Itq. 53). Von einem solchen Schreibmateriale ist zwar im Qoran nirgends die Rede, der vielmehr nur und kennt, aber daß es sich bei der qoranischen Offenbarung um Mitteilung aus einem himmlischen Schriftstücke handelt, steht fest 4). Dahin

1 So, schreiben die besten Handschriften, und diese Aussprache wird im Yaqut II, 228; Bekri 273; Hariri's Durrat al-ghauwas ed. Thorbecke S. 140 und im cod. Spr. 282 für allein zulässig erklärt.

2 Die Frage, ob diese und andere Erscheinungen auf Halluzinationen oder auf dem Brockengespenst ähnlichen Nebelbildern (M. J. de Goeje in Orientalische Studien, Th. Nöldeke zum 70. Geburtstag gewidmet, Gießen 1906 I. 3f.) beruhen, ist nicht zu entscheiden. Die Hauptsache bleibt, daß Muhammed an leibhaftige Engelerscheinungen glaubte. Diese haben darum für den Religionshistoriker in demselben Maße als Realitäten zu gelten, wie die Engelerscheinungen der Bibel.

3) Varianten hierzu sind (Nihaya).

4) Nach Sur. 20, 113.25, 134.53, 5.10. 75, 18. 81, 19 verlief eine Offenbarung so, daß Muhammed nicht selbst im himmlischen Buche las sondern ein Engel die Worte vorsprach, worauf der Prophet dieselben so lange wiederholte, bis er sie seinem Gedächtnisse eingeprägt hatte.


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weist nicht nur der oben (S. 94 f.) dargelegte Sprachgebrauch von sondern auch die zahlreichen Stellen, welche das Herablassen von kitab, d.h. schriftlicher Offenbarung erwähnen; ferner Sura 85, 21 f., wo das Vorhergehende ein auf einer bewahrten Tafel stehender Qoran genannt wird; schließlich Sura 96,4, denn die Worte "dein Herr, welcher die Menschen den Gebrauch des Schreibrohres 1 gelehrt hat", beziehen sich am ungezwungensten auf eine im Himmel vorhandene Urkunde, die der Urquell aller wahren Offenbarung ist, der jüdischen und christlichen - man erinnere sich der stehenden Wendung - wie der des Islam. Die Tradition, daß Allah zuerst den ganzen Qoran in den untersten Himmel herabbringen ließ, und dann der Engel dem Propheten nach Bedarf die einzelnen Stücke mitteilte - vergleiche die Kommentare zu Sure 97 -, geht also von einer durchaus richtigen Anschauung aus. Diese Vorstellungen vom Mechanismus der offenbarung sind natürlich nicht willkürliche Einfälle. sondern sie beruhen auf der Kenntnis jüdisch-christlicher Tradition, in der von Gott eigenhändig geschriebene, vom Himmel gefallene, oder durch einen Engel überbrachte Bücher eine große Rolle spielen 2.

Neuere Ausleger der 96. Sure haben sich von der exegetischen Tradition der Muslime mehr oder weniger entfernt Weil 3 glaubt, Muhammed erhalte hier den Befehl, eine schon früher gegebene Offenbarung vorzutragen. Dieser Auffassung steht nicht nur die Überlieferung entgegen, sondern auch die innere Wahrscheinlichkeit. Aus welchem Grunde sollte Allah dem propheten durch eine eigene Offenbarung befohlen haben eine schon vorhandene Sura vorzutragen oder zuvorlesen?

1 Vgl. zu dieser Übersetzung Th. Nöldeke in ZDMG. Bd. 41 S. 723.

2 Exod.31,18, 32,16, 34, 1; Deut 9, 10, 4,13; Ezechiel 3, 1-3; Apocal. Johannis 10,10; Pastor Hermae, 2, Vision; Euseb. hist. ,eccles. VI. 38; Hippolyt, Haeres. refut. 9,13.

3 K.2, S. 65. K.1, S.56 hatte Weil Mit "lesen" übersetzt.


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Sprenger's Erklärung (Life S. 95f.), heiße hier "lies die heiligen Bücher der Juden und Christen", hat den deutlichen Sinn gegen sich und wird hinlänglich durch die oben besprochene Unbekanntschaft Muhammeds mit der Bibel widerlegt. Auch die spätere Auffassung dieses Gelehrten (Leben 1 , 298. 462. III, xxii), nach der sprich dich aus" heiße, ist zu verwerfen, da sie im Sprachgebrauche keinen Anhalt hat.

Der Grammatiker Abu 'Ubaida, nach F. zur Stelle, sagt, die Phrase sei soviel wie sei hier d.h. zur deutlicheren Anzeige des Objektes hinzugesetzt, und so viel wie "anrufen". Indessen hat nirgends diese Bedeutung 2.

Hartwig Hirschfeld 3 übersetzt "proclaim the name of thy Lord!" Da diese Bedeutung im Arabischen nicht zu belegen ist, beruft er sich auf die im Alten Testamente häufige Wendung Allerdings heißt "ausrufen, verkundigen", aber ist wahrscheinlich nicht Objekt dazu. sondern bedeutet "unter Gebrauch des Namens Jahve 3. Einzig und allein in diesem Sinne ("verkündige im Namen deines 4 Herren") könnte die Möglichkeit der Anlehnung an hebräischen Sprachgebrauch zugegeben werden. Es ließe sich dafür noch der Umstand geltend machen, daß verschiedene Traditionen. nach denen Muhammed auf die Aufforderung des Engels mit antwortet, eine sehr verdächtige Ver-

1 heißt "er las in etwas" - nämlich einem Buche oder dergleichen - bezw. "er nahm die oder jene Lesart an", wie "er äußerte die oder jene Ansicht", vgl. M. J. de Goeje im Glossar zu Tabari.

2 Beiträge zur Erklärung des Qorans, Leipzig 1886, S. 6 New Reseraches S. 18 Ebenfalls schon G. Weil, Abhandl. Orient. Congress Florenz 1878 (1880) I, S. 357.

3 Vgl. auch B. Jacob, "Im Namen Gottes", Vierteljahrsschrift für Bibelkunde 1(1903), 171ff.

4 So ist Th. Nöldeke jetzt geneigt, die Worte zu verstehen


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wandtschaft mit Jes. 40, 6 haben. In diesem Falle würde jedoch in Sure 96 ein ganz isolierter Sprachgebrauch vorliegen, der weder im Qoran, noch in dem Hadith und der Liturgie irgend welche Nachahmung gefunden hat 1. Vielmehr wird im Qorane überall vom murmelnden oder leiernden Hersagen heiliger Texte gebraucht, während sich die Bedeutung "lesen" erst allmählich hieran angeschlossen hat. Darum wird es geraten sein, auch an unserer Stelle von der üblichen Bedeutung des Verbum , "vortragen", "rezitieren"2, nicht abzugehen.

Wenn wir hieran festhalten und die herrschende Tradition (s. S. 78f.) auf ihre wesentlichen Züge reduzieren, können wir uns die Entstehung jener Offenbarung folgendermaßen vorstellen.

Nachdem Muhammed 3 lange in der Einsamkeit ein asketisches Leben geführt hat und durch Betrachtungen und innere Kämpfe in ungeheure Erregung geraten ist, wird er endlich durch einen Traum oder eine Vision entscheidend bestimmt, das Prophetenamt, die Verkündigung der ihm klar gewordenen Wahrheit zu übernehmen. Die Berufung gewinnt in seinem Geiste feste Gestalt als eine Offenbarung, in der Allah ihn auffordert, die ihm zur Kenntnis gekommenen Teile des himmlischen Buches im Namen seines Herrn, des Menschenschöpfers, seinen Landsleuten vorzutragen. Als Zeit der ersten Offenbarung scheint im Qorane selbst die sog. Schicksalsnacht (leilet el-qadr) angegeben zu werden, die ohne Zweifel in den Monat Ramadan fiel 4.

1 Uber die Phrase vgl. oben S 33.

2 Vgl. oben S. 32f.

3 So abweichend auch die Gelehrten über den Sinn von Vers 1 urteilen. darin sind alle Genannten einig daß er sich nur an Muhammed wenden kann. So viel ich sehe, ist es allein R. Dozy (Essai sur l'jistoire de I'Islamisme, traduit du Hollandais par V. Chauvin, Leiden-Paris 1879, S. 27-29), der in den Versen 1-5 eine spätere, an einen Ubgläubigen oder Halbbekehrten gerichtete, Ermahnung erblickt.

4 Man halte Sur. 97, 1, 44, 2 mit Sur. 2.181 zusammen. Dies ist auch die gewöhnliche Ansicht; dagegen hatte Muhammad auf das Datum


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Ob freilich Sure 96, 1-5 das älteste aller Qoranstücke ist muß dahingestellt bleiben. Wenn es auch nahe lag, derselben wegen ihrer eindringlichen Aufforderung zum "Rezitieren" eine grundlegende Bedeutung in der Offenbarungsgeschichte beizumessen, so wird doch der chronologische Ansatz der Tradition im Texte durch nichts gefordert. Ihrem Inhalte nach lassen sich die Worte vielmehr aus jeder Zeit verstehen, in der dem Propheten ein neuer Abschnitt aus dem himmlischen Buche mitgeteilt wurde. Indessen rät der gedrungene Stil wie der kurzgliedrige Rhythmus, die Abfassung noch in der ersten mekkanischen Periode anzusetzen. Eine etwas genauere Bestimmung ergibt sich aus dem Verhältnis von V. 1-5 zu dem übrigen Teil der Sura. Dieser letztere kann nämlich unmöglich aus einer Zeit stammen, in der Muhammed erstmals die Prophetenweihe empfing, da er schon gegen einen Feind les Glaubens gerichtet ist, der einen gläubigen Sklaven1 vom Gottesdienst der jungen muslimischen Gemeinde zurück hielt (V. 9-11). Dieser Teil kann deshalb erst einige Jahre nach dem Auftreten Muhammeds entstanden sein. Die

wohl selbst nie geachtet. Daher schwanken die Angaben über dasselbe schon in den ältesten Zeiten (vgl. Muwatta 98f His. 151f. 155; Bh. im Anfang; F. zu Sur. 96; Kit, al-Hamis II, 280ff. usw.). Andere geben, wie wir oben S. 66f. sahen, den Rabi' I als den Monat der Berufung an. Im Zusammenhange hiermit steht die Tradition, daß Gabriel dem Propheten das himmlische Buch jedes Jahr einmal reichte, nur im Jahr seines Todes zweimal; und daß er sich im Monat Ramadan immer 10 Tage besonderen religiösen Übungen zu unterziehen pflegte in seinem Todesjahr aber 20 Tage: Ibn Sa'd, ed. I, iv, S.3 lin. 5-8, VIII, S. 17,14f.

1 Es ist bekannt, daß anfangs besonders viele Sklaven die neue Lehre annahmen (vgl. Ibn Sa'd ed. I, I, S. 132f.; Sprenger, Life 159-163, Leben I. 356f.; Leone Caetani, Annali dell' Islam I, 237. 240f.). Diese Leute mögen oft roh genug gegen die alten Götter aufgetreten, und ihre Strafen nicht ganz unverdient gewesen sein. So heißt es von Bilal bei Wah. 336 za Sur. 92, 5 . Ich brauche kaum zu bemerken, daß die Erklärung des (V.7) durch "Mensch" überhaupt im Gegensatz zu = Gott (Sprenger, Leben II, 115 "einen Diener Gottes") gänzlich verfehlt ist.


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gleiche Zeit würde auch für V.1-5 in Betracht kommen, wenn Sure 96 ursprünglich ein Ganzes gebildet hätte. Leider ist das nicht zu beweisen. Man kann lediglich feststellen. daß V.5 mit V.6 in einer gewissen Verbindung zu stehen scheint, man beachte V 5. 6 und die den Vers 6 einleitende Partikel kalla, welche im Qorane nie am Anfang der Rede zu stehen 1 pflegt. Sollten sich aber die Verse 6 ff. als Zusatz herausstellen, so müßten wir den Anfang der Sure für älter halten.

Nachdem Muhammed sich zum Propheten berufen fühlte. war er doch, wie es scheint, seiner Sache noch keineswegs ganz sicher. Um so weniger konnte er es unter diesen Umständen wagen, öffentlich mit der Predigt hervorzutreten. Leider ist hier das einzelne völlig ungewiß. Wir haben über seine gewaltigen Seelenkämpfe in dieser Zeit eine Tradition bei Bihari 2, welche an die oben S. 78 f. erwähnte 'Aïsa's über Sur. 96 angehängt ist:

Wir können aber nicht recht wissen, ob die Seelenstimmung. Die den Propheten fast bis zum Selbstmord trieb nicht eigentlich

1 Wenn der Qoran eine Rede mit der Zurückweisung eines bloß vorgestellten, nicht geradezu ausgesprochenen Satzes anfängt, stet nicht sondern bloß (vgl.Sur. 75. 1, 90, 1, 56, 74 usw.) Diese Stellen werden übrigens von einigen anders aufgefaßt. siehe Wright-deGoeje, Arabic Grammar II, p. 305 CD.

2 Im kitab al-hiyal § 16 bab al-ta 'bir. Darus Misk. 514 (522) und F. zu Sur. 96. Die übrigen lassen diesen Zusatz weg oder haben nur die ersten beiden Worte. An einer Stelle ( zu Sur. 96) hat Bh. die ersten sieben Worte

3 F.

4 So weit Misk. a. a. O. bab al-mab'at wa bad' al-wahy


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einer frühern Zeit angehört 1, nämlich der vor der Prophetenweihe, als er noch in den Bergen ein einsames Leben führte , bis ihn die Offenbarung traf ( - oder ). Aus der Verbindung dieser Tradition mit dem Umstand, daß Muhammed anfangs wahrscheinlich längere Zeit nicht ganz öffentlich, sondern mehr im stillen Verwandte und Freunde zu bekehren suchte 2, und besonders zur Ausgleichung chronologischer Differenzen, hat man einen Zeitraum von 2 ½ -3 Jahren angesetzt, den man die "Fatra" nennt Diese schon an und für sich unbegreiflich lange Unterbrechung der Offenbarung hat Sprenger zuerst in dem mehrerwähnten Aufsatz als unhaltbar nachgewiesen 3.

Früher hatte Sprenger selbst diese Fatra für einen wichtigen Abschnitt gehalten, während dessen Muhammed - der doch nur durch den felsenfesten Glauben an Allah und das Gericht zur Prophetie gedrängt sein konnte - erst allmählich seinen Glauben ausgebildet und die Bibel studiert hätte 4. Auch versetzte er in diese Zeit manche Suren, in denen sich der Prophet gegen die von seinen Freunden geäußuberte Ansicht wehren soll, er sei ein Besessener. Aber alle Suren in denen er einen solchen Vorwurf zurückweist, bekämpfen unverkennbar die Feinde der öffentlich von ihm verkündigten Religion.

Die gewöhnliche Auffassung von dem Aufhören dieses angstvollen Zustandes gibt eine bekannte Tradition, welche

1 Andrerseits haben die Zweifel Muhammeds über den endlichen Erfolg seiner Lehre und die Kämpfe seines Gewissens, das ihn gegen eine angeborne Zaghaftigkeit zur öffentlichen Verkündigung trieb, erst mit der Übersiedelung nach Medina ganz aufgehört. Alle einzelnen Abschnitte, welche die alles äußerlich mit einer Maschinerie von Engeln bewerkstelligenden Muslime hier machen, sind wenig wert.

2 His. 166; Ibn Sa'd ed. I, I, p 132f.

3 ZDMG. XIII, S. 173 f., wo man auch die einzelnen Zitate naehsehe. Die ursprüngliche Erzählung (z. B. bei Ibn Sad ed. I, I, p.131 ob.) lautete nur, die Offenbarung habe "einige Zeit" geruht.

4 Life of M. 8. 104f.


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Abu Salama von Gabir b. ‘Abd-allah empfing, folgendermaßen wieder: "Nach einer Pause der Offenbarung 1 erblickte Muhammed plötzlich den Engel, der ihm auf dem Hira' erschienen war, in himmlischer Herrlichkeit. In großem Schrecken kam er zu Hadiga gelaufen und schrie: 2 oder 3 "wickelt mich in Kleider"! Als man dies getan 4, brachte ihm der Engel den Anfang der Sura 74. Darauf folgten die Offenbarungen schnell aufeinander 5. Da in einigen Gestalten dieser Tradition die ersten auf die Pause bezüglichen Worte fehglen, so haben schon früh manche 6 behauptet. Sura 74 sei überhaupt die älteste. Doch wird immer hinzugefügt, daß diese Ansicht Verwunderung errege. weil nach der bekannten Überlieferung Sura 96 als solche genannt werde. Gewöhnlich faßt man Sur. 74, V.1 ff. als den ersten Befehl zur öffentlichen Predigt auf 7. Aber auch dies folgt nicht einmal mit

1 Die Tradition beginnt Man sieht deutlich, daß sie mit einer frühern über die erste Offenbarung zusammenhing; oder man mußte annehmen, daß diese Worte erst am 'Aisa's Tradition übernommen worden seien.

2 wird ohne Zweifel richtig durch erklärt. Alle Bedeutungen der Wurzel laufen entweder auf den Begriff (vor Alter vergehen usw.) hinaus oder sind Denominative von .

3 Diese Bedeutung ist auch außerhalb des Qorans häufig su belegen: Amru'ulqais Muallaqa v.77 = His. 905 v.1; Kami1 ed. Wright 483; Tabari I, 1822, 10; Ibn Sad ed. III, II, p.105, 26; usw.

4 Einige fügen noch hinzu, man habe Wasser auf ihn gießen müssen.

5 Bh. bad' al-wahy, tafsir; Muslim bad al-wahy (Q. II, 49),. Tirm. kitab al-tafsir zu Sur. 74; Wah. in der Einleitung und zu Sur. 74 F. zu Sur. 74; Mabani III; Itq. 53f. Kürzer Zam. ubd B. zu Sur. 74; vgl. Spr. Life 110, Anm. 2. Nach einer anderen Tradition trat am Sterbetage eine ganz besondere Steigerung der Offenbarung win, Ibn Sad ed. I. iv p.2.7.

6 Tabari I, 1153.

7


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einiger Sicherheit aus den Worten der Tradition, auf deren Gestalt, wie man leicht sieht, die über Sur. 96 einen bedeutenden Einfluß geübt hat. Die Verbindung der Sura, die mit beginnt, mit dieser Tradition ist vielleicht nur durch das Wort entstanden 1. Wir wissen aber daß Muhammed öfter, wenn ihn seine Anfälle heimsuchten, mit Kleidern verhüllt wurde 2. Und zwar beruht dieser

"Die Prophetenschaft des gesegneten Gesandten Gottes war früher als seine Sendung ....; mit der Offenbarung von Sur. 96 kam die Prophetenschaft, mit der Offenbarung von Sur. 74 erst die Sendung"; Hamis I, 282.

1 Da welches ungefähr dasselbe bedeutet, in der Tradition oft für steht, so wird zuweilen (z. B. im cod. Lugd. 653 Warn.) die mit beginnende Sur. 73 statt der Sur. 74 genannt.

2 Vgl. His. 735, 17f. Wah. zu Sur. 93 Hiermüt vergleiche Sur. 73, 1 und vielleicht noch die schon oben, S.25 Anm. 1, angedeutete Geschichte His. 117 samt ihren Parallelen, ferner Muslim kit. al-hagg § 1 Q. V, 189. Der nämliche Brauch findet sich bei zwei prophetischen Zeitgenossen Muhammeds, die nach der Überlieferung sich verhüllten, sobald sie eine Offenbarung erwarteten. Tabari I, 1890, 10f. heißt es von dem Propheten Toleiha und Baihaqi, Maliasin ed. Schwally p.33, 15f. So erklärt sich vermutlich auch der Beiname du'l-himar ("Sehleiermann") des jemenischen Propheten 'Abbala ibn Ka'b sowie des alten heidnischen Sehers 'Auf ibn Rabi'a (Tag al-'Arus ed. 1395; III.188 u.; Ibn Atir, Kamil I, 377, 1ff.; Aghani VIII. 66 2ff. vgl. J. Wellhausen, Reste arabischen Heidentums 2. Aufl. 1897, S. 135, Anm. 2). Diese Sitte wurzelt wahrscheinlich vorwiegend in der weitverbreiteten (vgl. z. B. Exod. 34, 33ff.) Meinung, daß das Schauen des Göttlichen für den Menschen verhängnisvoll ist ( Herodot I, 32). Weiter kann ich auf das interessante Problem der religiösen Verhüllungen hier nicht eingehen.


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Brauch, nach der wahrscheinlichsten Vermutung, nicht auf hygienischen Rücksichten, sondern auf abergläubischer Furcht.

Die Worte der Sura selbst zeigen uns immerhin so viel, daß sie in der ältesten Zeit des Prophetentums geoffenbart sind 1. Unter allen Umständen dürfen wir dies jedoch nur von V.1-7 bezw. 1-10 sagen. Denn die folgenden Verse in denen ein einzelner hervorragender Gegner bekämpft wird, sind jünger, wenn auch immer noch sehr alt 2. In diesen Teil ist ein Abschnitt aus weit späterer Zeit eingesprengt, nämlich V. 31 3- 34, während der Schluß vielleicht dem älteren Bestande angehört und die ursprüngliche Fortsetzung von V.30 gewesen ist. Die Interpolation welche vielleicht schon vom Propheten herrührt ist jedenfalls erst medinisch 4. Denn wir finden in ihr schon die vier Klassen von Menschen unterschieden, mit denen es Muhammad in Medina zu tun hatte 1) die Juden ("die, welche die Schrift erhalten haben"); 2) die Muslime ("die, welche glauben;") die Zweifler 4 "die, in deren Herzen Krankheit ist."

1 Auf andere Art erzählt die Offenbarung von 74 His 184. 8 ff. (nicht nach Ibn Ishaq), ohne eine Autorität anzugeben. Wir können auf diese sonst nicht sehr genaue Erzählung, die auch kurz bei B. berührt wird, wenig geben.

2 Vgl. z. B. die Worte V. 8, wofür später immer steht.

3 Flügel in seiner Ausgabe des Qorans hat hier eine ganz falsche Einteilung, die muslimische Überlieferung rechnet V. 31-34 , nur als einen Vers.

4 Dies fühlte schon Weil S. 365. wagte es aber nicht geradezu aus-zusprechen.

5 munafiq ist entlehnt aus abessinischem menafeq, dessen Verbum nafaqa in der Bedeutung "zweifeln, wankelmütig sein" in Ge'ez ganz gewöhnlich ist. Und zwar geht die Entlehnung wahrschienlich von dem Nomen menefeq aus, wofür auch die Tatsache spricht, daß die Partizipial-formen im Qoran 32 mal vorkommen, dagegen die die zugehören Verbalformen nur 4 mal. Die arabische Tradition bezeichnet munafiq mit Recht als "islamisches Wort", gibt ihm aber eine falsche Ablitung aus nafiqa "Mausloch", (z. B. Mubarrad, Kamil ed. Cair. I, 158). Die gewöhnliche Übersetzung "Heuchler" ist auch insofern nicht ganz zutreffend, als die Mehrzahl der in dem Qoran und der Tradition mit munafiqun bezeichneten


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4) die Götzendiener. Doch mögen sie immerhin aus der ersten medinischen Zeit sein, da er in ihnen noch der Juden freundlich gedenkt und sie mit den Gläubigen in eine Linie stellt, während er dieselben bald als seine bittersten Feinde erkannte. V.41 ff. sind späterer Herkunft, aber immer noch aus der ersten Periode. Zum Beweise ihrer ursprünglichen Zusammengehörigkeit mit dem Vorhergehenden könnte man versucht sein, sich auf das seltene Wort für "Hölle", saqar V. 43, zu berufen, das im ersten Teil der Sura zweimal vorkommt, sonst aber nur noch einmal im Qoran. Indessen ist diese Bezeichnung gewiß nur versehentlich aus jenen beiden Stellen in den Vers 43 eingedrungen und hier an die Stelle eines älteren gahim1 getreten, indem der Zusammenhang einen Reim auf im verlangt.

Als eine der ältesten Offenbarungen gilt allen Sura 111. Hinsichtlich ihrer Veranlassung stimmen die meisten Traditionen in folgenden Zügen überein: Muhammed rief nach langem Zaudern endlich seine Landsleute, oder, nach wahrscheinlicherem Berichte, sein Geschlecht, die Banu Hasim 2, zusammen, und forderte sie auf, sich zu Gott zu bekehren. Aber sein Vatersbruder 'Abd-al'uzza b. 'Abd-almuttalib, ge-

Leute keineswegs im eigentlichen Sinne heuchelten, sondern nur bei jeder Gelegenheit zeigten, daß ihre Herzen noch nicht ganz gewonnen waren, da sie sich weniger aus Überzeugung als durch die Umstände gezwungen dem Islam angeschlossen hatten.

1 gahim ist nächst dem überaus häufigen nar "Feuer" und gahannaam das im Qoran gebräuchlichste (26 mal) Wort für "Hölle", sonst findet sich dafür noch sa'ir (l6 mal) und laza (1 mal).

2 Über die Versammlung selbst und die anderen Einzelheiten haben wir viele verschiedene Angaben. Manches ward wunderbar ausgeschmückt, anderes ist zur Ehre 'Ali's, der aber damals noch ganz klein war, hinzugedichtet. Vgl. Ibn Sad ed. I, I, p 42f., 132ff.; Tabari I, 1170; Tab. Pers. II. 405; Bh. im kit. al-tafsrr. B. Zam. zu Sur. 111; Muslim Q. II, 185 (kit. a1-Iman § 77) ; Tirm. kitab al-tafsir; Misk. bab al-indar fasl 1 § 2, bab al-mabat fasl I § 9; Wah. za Sur. 111; F. zu Sur. 26,214; Tabari Tafsir Bd. 19, 67 30, 190 f.. Verwirrt sind diese Erzählungen bei Zam. zu .Sur. 26. 214 u.a.m. Siehe noch Weil S.53; Caussin I, 316f.; Sprenger, Life 177f.; Sprenger Leben2 I, 526. - Muir, Life of Mah. II, 113f. und Leone Caetan i Annali. I, 239 f. setzen in die Zuverlässigkeit dieser Berichte gerechte Zweifel.


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nannt Abu Lahab, sprach: Geh zum Henker! hast du uns darum zusammengerufen?"1 Auf diese Worte des in der Familie sehr angesehenen Mannes, die sicher nicht so schlimm gemeint waren, wie sie klingen 2. trennte sich die Versammlung, weil sie keinen Sinn in Muhammed's Reden fand. Da schleuderte der Prophet mit den Worten der Sur. 111 gegen Abu Lahab und sein ganzes Haus eine schwere Verwünschung, wodurch er sich ihn zum heftigsten Feinde machte.

Man darf sich indessen von dem weitgehenden Konsensus der Tradition nicht imponieren lassen. Die Erwähnung der "Hände" in V. I könnte auf eine tätliche Beleidigung des Propheten hinweisen. Der Zug, daß Abu Lahab bei Gelegenheit jener Versammlung seinen Neffen mit Steinen geworfen habe, kommt aber nur in späten Schriften (Baidawi. Nasafi) vor. Andere Traditionen nach denen Abu Lahab dem Propheten Mist oder Aas vor die Türe wirft (His. 276f. Ibn Sa'd ed I, I, 134 f.), sagen nichts von unsrer Sura. während Vers 4. 5. von His. 233 und allen Kommentaren mit einem ähnlichen Vergehen seiner Frau in Verbindung gebracht wird. Eine kleinere Anzahl von Traditionen 3 bezieht die Sure auf

1 Einige setzen noch hinzu.

2 Die gewöhnliche Auffassung welche in Abu Lahab's Worten eine eigentliche Verfluchung findet, ist nicht richtig. Wir haben hier den Ausruf eines Menschen, der darüber ärgerlich ist. daß er zu einer großen, wichtigen Sache herbeigerufen, nur Albernheiten vorfindet. Ein eigentlich schlimmer Sinn liegt darin ebensowenig wie in den so leicht ausgestoßenen Worten hol' Dich der Teufel! Goddam! usw. So heißt es 'Aghani XVI, 1;9 der Adbat b. Qurai' rief einst seine Landsleute zusammen. um ihnen einen schlechten Witz vorzutragen: Hier ist doch jedenfalls nur von einem ärgerlichen Scherz die Rede. Ganz anders freilich ist der Sinn , wenn der durch die Worte seines Oheims tief gekränkte Prophet ausruft:

3 His. 231 bezieht die Sure auf ein Ereignis der späteren mekkanischen Zeit. Azraql 81f. und Waqidi (Wellhausen) p. 351 verlegen die Verfluchung Abu Lahab's gar in das Jahr 8 der Higra, als dieser


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andere Ereignisse, deren Glaubwürdigkeit keineswegs geringer als die der übrigen ist. Man erhält den Eindruck, daß schon sehr früh keine zuverlässige Überlieferung mehr vorhanden war, daß wir es vielmehr überall nur mit Kombinationen der Exegeten zu tun haben. Die Sure ist noch dadurch bemerkenswert, daß es außer ihr nur eine einzige Stelle im Qorane (Sur. 33, 37) gibt, in der ein Zeitgenosse mit seinem Namen erwähnt wird1.

Sura 106 ermahnt die Quraischiten, dem Gott der Ka'ba, 2, zu danken, daß sie jährlich zwei Karawanen - die Quelle des Wohlstandes für das Handelsvolk - aussenden können 3. Die wohlwollende Stimmung, welche hier zum Ausdrucke kommt, deutet darauf bin, daß die Sura noch vor dem Konflikte mit diesem Stamme entstanden ist 4. Sonst wird der Ka'ba in keiner mekkanischen Sura mehr gedacht.

Bei den übrigen Suren der ersten Periode muß man aus Mangel eines geschichtlichen Leitfadens die chronologische Reihenfolge von vornherein aufgeben. Wir wollen sie deshalb mehr nach dem Inhalt einteilen, jedoch bei der Anordnung innerhalb der einzelnen Klassen soviel wie möglich die all-

Oheim des Propheten. nach der bei der Eroberung Mekka's geschehenen Zerstörung des Idoles der al-'Uzza bezw. al-Lat, für die Göttin zu sorgen versprach. Abu Lahab war aber damals schon längst tot. Noch eine andere Veranlassung, aber ohne Zeitangabe, erwähnt Tabari im Tafsir Bd. .30 S. 191 oben.

1 Hierüber wird im zweiten Teile dieses Buches ausführlicher gehandelt.

2 Hinrdurch widerlegt sich Muir's Ansicht (Life of M. 11,140 und 154 f.) daß Muhammed vor der Offenbarung von Sur. 53 den ganzen quraischitischen Kultus verworfen habe.

3 "Daß die Quraischiten zusammenbringen, daß sie zusammenbringen sie Winter- und Sommerkarawane, darob mögen sie dienen usw." So erledigt sich die von Sprenger in ZDMG. XII, 315ff. vorgetragene Erklärung, bei welcher auch dem hebräischen ein gänzlich falscher Sinn untergeschoben wird. Daß diese beiden Karawanen erst von Haschim eingerichtet seien, ist wie so manches zur Ehre von Muhammeds Vorfahren Erzählte sicher unrichtig. Setzt doch sogar His. 87, 12 zu der Erzählung davon sein kritisches , Die Verse. welche dazu angeführt werden, sind unecht.

4 Vgl. Leone Caetani, Annali dell' Islam I, § 234 not. 2.


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mähliche Entwicklung des Stils und der Gedanken zur Richtschnur nehmen.

Von den Suren, deren Hauptzweck die Bekämpfung eines Gegners ist, dürfte Sura 108 wohl eine der ältesten sein. In dieser tröstet Gott den Propheten über eine ihm angetane Beschimpfung. Als Attentäter wird meistens 'As b. Wa'il 1 genannt, seltener 'Oqba b. Mo'ait 2 oder Ka'b b. a1-Asraf 3. Diese sollen ihm vorgeworfen haben, er wäre ein "schwanzloser" Mann, d.h. ein Mann ohne Söhne 3. Gott aber sagt, er habe ihm "die Fülle"4 der Güter gegeben. Die Ansicht einiger wenigen, weiche diese Sura für medinisch 5 halten, und meinen, es handle sich darin um den Tod seines Sohnes Ibrabim 6, verdient keine ernsthafte Widerlegung. Überhaupt geht der allgemeine Ausdruck "dein Hasser" vielleicht gar nicht auf eine bestimmte Person, sondern auf eine ganze Grulle von Gegnen, wie schon Tabari im Tafsir (Bd. 30, S. 186) nach älteren Auslegern anzunehmen geneigt ist. Wie dit andern mit inna ( = "fürwahr wir") beginnenden Suren (48. 71. 97

1 Vgl. His. 261; Ibn Qutaiba 145; Mas'udi V 61 1 Attr II, 54; Wahidi und die Kommentare; Sprenger Leben II. 4.

2 Tabari, Tafsir z. St. Bd. 30,186.

3 Es ist bekannt, daß viele Söhne bei den Semiten von je her für den größten Segen galten, aus welchem Macht, Ehre und Reichtum her vorgingen, vgl. F. Schwally, Das Leben nach dein Tode (1892) S. 29 ff.; G.W. Freitag, Einleitung in das Studium der arab. Sprache (Bonn 1861) S. 210.

4 ist eigentlich ein Adjektiv und bedeutet "viel, reichlich in Fülle"; vgl. die Beispiele bei His. 261; daher ist es der massenhafte Staub (Diwan der Hudailiten 92 v. 44); also hier "das Reichliche, die Fülle." Das Verb davon ist "massenhaft sein" z. B. vom Staube (vgl. Hamasa 106 v.5). Schon bei His. 261 f. findet sich die gewiß sehr alte , aber dennoch falsche Erklärung, Kautar bezeichne eine Fluß in Paradiese.

5 Wie 'Alaeddin angibt, nach der Überlieferung des Hassan [al-Basri], 'Ikrima und Qatada. Itq. 30.

6 Vgl. Soyuti, Asbab al-nuzil. Daselbst wird noch eine andere Tradition angeführt, nach der die Sura am Tage von Hudaibiya offennbart worden ist, so auch Itq. 45.


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108) könnte auch diese ihren ursprünglichen Anfang verloren haben.

In Sura 104, welche nach Hibat-allah 1 bei einigen für medinisch gilt, werden reiche, stolze Menschen angegriffen. - Sura 107 spricht ebenfalls (V.4, vgl. Sur. 104 V.1) ein Wehe! aus, und zwar über Leute, welche die religiösen Gebräuche erfüllen, aber dabei hart gegen die Armen sind. Da diese Worte einigermaßen auf die Zweifler in Medina zu passen scheinen, so wird von einigen Erklärern die ganze Sura 2 oder doch V 4-7 3 zu den medinischen Teilen gezählt. Ebenso soll nach einer Ansicht Sura 102 auf die medinischen Juden gehen 4 - Sura 105 ist wohl die erste, in welcher den Gegnern an einem Beispiel aus der Geschichte - und zwar aus Mekka's eigner Geschichte - gezeigt wird, wie Gott ihresgleichen bestrafe 5. - Sura 92 ist, wie so viele andere, nach manchen ganz oder zum Teil erst nach der Higra geoffen

1 Außer dieser gelten noch viele andere Suren, welche nach ‘Omar b. Muhammad b. 'Abd-alkafi (cod. Lugd. 674 Warn.) von allen (alten Erklärern, wie den Schülern des Ibn 'Abbas usw.) für rnekkanisch gehalten werden, bei manchen als medinisch, z.B. Sur. 25; 53; 57; 67; 80; 87; 89, 90 92; 102; 110.

2 Omar b. Muhammad (nach Ibn 'Abbas, Alhasan Albasri und Qatatda). Zam. B. Itq. 30.

3 Hibat-allah. Itq. 37 (nicht genau). 'Omar b. Muhammad. Auch diese beiden Suren sollen wieder an ganz bestimmte Personen adressiert sein 104 an Ahnas b. Sariq (Hibat-allah, Zam. Tab. Tafsir), Umayya b. Halaf (Zam.), Walid b. al-Moghira (Zam. Naisaburi am Rande von Tabari 30. 161), an Gamil b. 'Amir (Tab.); 107 an 'As b. Wa'il (Hibat. Wah. Naisab.), Abu Sufyan b. Harb (Wah. Naisab.), Walid b. al-Mund Abu Gahl (Naisab.). Das ist natürlich alles erfunden.

4 Vgl. B. Wab. und Itq. 30, welches dieser Ansicht beistimmt.

5 Sie bezieht sich auf den bekannten Zug des abessinischen Heeres ins heilige Gebiet von Mekka, wobei es durch den Ausbruch der Pocken unterging. Gewiß hatte schon die Sage der Mekkaner dieses Ereignis wunderbar ausgeschmückt. Vgl. His. 29ff. Azraq. I 86ff. Diwan der Hudailiten S. 112ff. Tabari I, 935ff Mas'udi III. 158ff. und die Kommentare. Weil 10. Caussin I, 279. Sprenger, Life 3.5, Leben I2, 461. F. Buhl a. a. O. 21. L. Caetani, Annali I, S. 143ff. Eine Erörterung aller hierher gehörigen Probleme findet sich bei Th. Nöldeke, Geschichte der Perser u. Araber zur Zeit der Sasaniden (1879) S. 204-208.


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bart 1. - Sura 90 scheint schon etwas später zu sein. Die freilich sehr wenig verbreitete Ansicht, daß sie medinisch sei, ist schon im Itqan 29 als falsch erkannt. Nicht minder irren die, welche nur die ersten vier oder die ersten zwei Verse, in denen sie die Bezeichnung Mekka's erkannten, als mekkanisch gelten lassen 2.

Die folgenden Suren sind vermischten Inhalts, sie stimmen aber darin überein, daß ihr Hauptzweck weder die Bekämpfung der Gegner, noch die Schilderung der letzten Dinge ist.

In Sura 94 3 und der anscheinend etwas späteren Sura 93 sucht Gott den Propheten über seine jetzige Lage zu trösten, indem er daran erinnert, wie er ihn schon früher aus dem Elend befreit habe. In einer Zeit, in der erst wenige Leute, fast alle niedrigen Standes, an ihn glaubten, und die Hoffnung, mit seiner Lehre durchzudringen sehr gering war, muß es zahlreiche Gelegenheiten gegeben haben, die eine solche Trostspendung Allah's hervorrufen konnten. Darum brauchen jene Suren gar nicht durch ein bestimmtes einzelnes Ereignis veranlaßt zu sein. Aber selbst in diesem Fall bliebe es doch höchst unwahrscheinlich, daß die Kunde von einer solchen Veranlassung unter vielen gleichartigen 4 richtig auf die Nachwelt gekommen wäre. - Sura 97 handelt von der Erhabenheit der Nacht 5, in welcher die Engel und der heilige Geist sich

1 Z B. Itq. 29 usw.

2 Itq. 37. Allein schon die Phrase sichert den Vers 12 mit seiner Umgebung als mekkanisch.

3 Aus einer falschen buchstäblichen Erklärung von Sur 94 I verbunden mit der Überheferung über Muhammeds epileptische Zufälle im Kindesalter, ist die elende Fabel entstanden, welche wir bei His. 105f Ibn Sa'd ed. I, I, p. 74f.; Bh. im bab al mi'rag und anderen Stellen; Muslim kit. al-iman § 72 (Q. II, 60ff.); Tab pers. II, 241f.; Mas'udi IV, 131; Misk. 516 (524 bab 'alamat al-nubuwa Anfang) usw finden. Vgl. Weil Anm. 11. Sprenger Life 78, Leben 2 I, 21 usw. Andere bringen die Geschichte über die Öffnung seiner Brust mit der über die Himmelfahrt in Verbindung (siehe die Zitate bei Sur. 17).

4 Vgl. die Kommentare; Bh. kit. al-kusuf, abwab al-taqsir § 24, fada'il al-qur'an § 1; Muslim. kit. al-gihad § 34 (Q. VII 439f.); Wah.

5 Siehe oben S. 82.


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mit der Offenbarung auf die Erde herabließen 1. Sie wird wegen einer im Itqan 29 erzählten Tradition mit Unreelit für medinisch (gehalten )2. Der Wortlaut des ersten Verses legt den Verdacht nahe, daß der Sure ihr wirklicher Anfang verloren gegangen ist 3. - In Sura 86 scheinen die ersten drei Verse anzudeuten, daß sie zur Nachtzeit unter dem Eindruck eines glänzenden Sterns entstanden ist 4. - In Sura 91, die mit einer unverhältnismäßig großen Zahl feierlicher Schwüre (V. 1-8) anhebt, rückt der Prophet seinen Zeitgenossen die Sünde der alten Thamudäer vor Augen, welche einen Gesandten Allah's des Betruges beschuldigt und ermordet hatten, dafür aber mit völliger Ausrottung bestraft worden waren. Auf diese Legende 5 wird später von Muhammed noch oft angespielt (26 mal im Qoran). - In Sura 80 tadelt Gott den Propheten, daß er, gerade dabei, einem reichen Manne den Islam vorzutragen, einem armen Blinden 6, der nach Belehrung über den glauben begierig war, kein Gehör schenkte. Muhammed macht sich also selbst Vorwürfe über seine Schwäche, die Mächtigen

1 In dieser Sura findet sich zuerst die Wurzel vom Offenbaren des Qorans gebraucht.

2 B. 'Omar b. Muhammad (cod. Lugd. 674 Warn.); 'Alaeddin IV, 464 und Itq. 56, unter Berufung auf den Kommentar des Nasaf i nach Waqidr, wird sie für die alteste der medinischen Suren gehalten. Hibat-allah erwähnt gar nicht einmal, daß sie Uberhaupt von einigen zu den mekkanischen gerechnet werde.

3 Siehe oben S. 92f. zu Sur. 108.

4 Nach Wahidi wurden diese Worte geoffenbart, als Abu Talib beim Mahle über eine Sternschnuppe erschrak. Doch passen die drei Verse wohl nur auf einen Planeten oder doch einen großen Fixstern.

5 Bh. und Tirm. (im kitab al-tafsir) erzählen hierzu eine komische Episode.

6 Gewöhnlich (Muwatta' 70f, His. 240. Ibn Sa'd ed. IV, I, S. 153. Tirm. kitab al-tafsir. Wah. Ibn Hagar II, p.1245. Die Kommentare. Spr. Life 186, Leben II, 317. Muir II,128. Caetani I, 297) nennt man den Ibn Umm Maktum, aber dieser muß nun einmal überall als Repräsentant der Blinden auftreten. Man erwartet hier einen Mann von niederem Stande, während jener der quraischitischen Familie ‘Amir b. Lu'ai angehörte und seine Mutter gar aus dem damals zugleich mit den ‘Abd Sams angesehensten Geschlechte Mahzum war. Vgl. über ihn Ibn Sa'd a a.O. lbn Hagar a. a. 0. Usd al-.ghaba IV, 127.


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seiner Stadt über Gebühr bevorzugt zu haben. Es ist erstaunlich, aber charakteristisch für die menschlichste aller Offenbarungsreligionen, daß diese Worte in den Qoran. Auf-nahme gefunden haben. Hibat-allah ist der einzige, welcher erwähnt, daß man über den Ort dieser Offenbarung nicht einig sei Aug. Müller 1 sieht in V.11 den "Anfang eines neuen, wohl etwas späteren Bruchstückes". Nach D. H. Müller 2 beginnt der zweite Teil, der mit dem andern "augenscheinlich durchaus nicht zusammenhängt", erst mit V.16. - Sura 68 wird von einigen für die älteste 3 oder doch die zweite, gleich, auf Sur. 96 folgende 4, gehalten. Wahrscheinlich bezog man das Wort womit die Sura beginnt , auf den Anfang von Sur. 96 und brachte sie daher auch zeitlich in nahe Verbindung mit ihr. Natürlich können Verse, in denen gleich gegen die Feinde des Glaubens geeifert wird, auf keinen Fall so alt sein. Aber V. I 7 ff.. von denen V. 17-33 und V. 48-60 mitunter für medinisch gelten 5, sind wohl erst in der zweiten Periode zu der alten Sura hinzugefügt worden 6. - An Sur. 87 haben wir wieder ein Beispiel dafür, wie leichtsinnig manche alten Erklärer interpretierten und aus ihren Auslegungen Schlüsse zogen. Man fand in der Aufforderung zum Preise Gottes (V. 1, vgl. V. 15) einen Hinweis auf die nicht lange vor der Higra angeordneten täglichen Gebete und machte daher die Sura ohne weiteres zu einer medinischen 7. - Von Sura 95, in deren drittem Verse

1 Der Koran übersetzt von Friedr. Rückert, herausgegeben von Aug. Müller, 1888, S.545.

2 Die Propheten in ihrer ursprünglichen Form, 1896, S. 57.

3 Hibat-allah.

4 Siehe die chronologischen Aufzählungen der Suren, oben S. 59 ff..

5 Cod. Lugd. 674. Itq. 36.

6 Man beachte z. B. die größere Länge die meisten Verse und einige in der ersten Periode nicht gebräuchliche Ausdrüke, wie . V. 28, V. 48, vgl. überhaupt unten zu Sura 52. H. Hirschfeld, New Researches S. 60, hält nur V. 34 ff. für später.

7 Cod. Lugd. 674. B.


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doch das heilige Gebiet von Mekka deutlich bezeichnet wird, und von Sura 103, die vielleicht ein bloßes Fragment ist, sagt man dasselbe 1. Diese beiden Suren liegen uns wahrscheinlich in überarbeiteter Gestalt vor. Sur. 95 V.6 ist, wie mir dünkt, erst später binzugefügt, da sein Text eine unverhältnismäßig Länge hat, sein Inhalt den Eindruck des Zusammenhanges allzu sehr abschwächt, und die Phrase erst in der späteren mekkanischen Zeit gebräuchlich wird. Der erste und dritte dieser Gründe gelten auch für die gegenwärtige Gestalt von Sur. 103 V3.. - Sura 85 hält den Gläubigen das Beispiel der Frommen vor, die vorzeiten von fluchwürdigen 2 Menschen gepeinigt und getötet wurden 3. V 8-11 sind wahrscheinlich später hinzugefügt worden. vielleicht von Muhammed selbst. Denn sie unter-

1 Cod. Lugd. 674. Hibat-allah.

2 Nur das bedeutet natürlich wie schon die Erklärer zum erkannten.

3 Gewöhnlich sieht man in diesen die von dem Judenkönig Du Nuwas in Nagran getöteten Christen. Vgl. His. 20, 24. Tabari I, 925. Die Kommentare. Sprenger, Life 36f., Leben I, 464ff. Muir II, 146. Das hat viel für sich. Denn dieses Ereignis vow Oktober 523 hat überall, wohin seine Kunde drang, ungeheures Aufsehen erregt. Die zuverlässigste Quelle, der Brief des Simeon von Beth Arschem (vgl. Th. Nöldeket, Geschichte der Perser und Araber zur Zeit der Sasaniden S. 185f) erzählt, daß damals die Kirche niedergebrannt worden sei, wobei alle welche sich in sie geflüchtet hatten Priester und Laien, in den Flammen umkamen, Anecdota syriaca ed. J. P. N. Land III, 236, 12 ff.. Sonst wurden alle, die ihren Glauben nicht verleugneten, mit dem Schwerte umgebracht. Von eigentlichen Scheiterhaufen oder gar von Gruben weiß der Brief nichts. Erst Spätere (vgl. Winand Fell, ZDMG;. 35, S. 8. 62) melden von feurigen Gruben, was nach Fr.Praetori its ZDMG. Bd. 23 S. 625, erst aus unsrer Sure erschlossen sein könnte. Unter diesen Umständen ist A. Geiger's (a. a. O. 192) Vermutung, daß jene Verse sich auf die drei Männer im Feuerofen bezögen (Daniel III), noch immer erwähnenswert, vgl. Otto Loth, ZDMG. 35, 621. Diese Erklärung wird auch in muslimischen Kommentaren verzeichnet, unter anderen schon von Tabari im Tafsir z. St. (vgl. ZDMG. 35, 610ff.) und von Baghawi Freilich ist Geiger's Grund, Muhammed, der damals wohl


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scheiden sich von den anderen Versen, mit denen sie sonst zusammenhängen, durch großere Länge, gedehntere Redeweise und einen etwas abweichenden Reim 1. - Sura 73 wird, wie schon oben S 81 erwähnt ist, wegen der Ähnlichkeit ihres Anfangs mit dem der Sura 74 zuweilen für eine der älltesten gehalten 2. Nicht weniger irren die, welche bei der Erklärung ihres Ursprungs die erst weit später von Muhammed geheiratete 'Aïsa erwähnen 3. Aber V. 20 ist so offenbar medinisch, daß es selbst den Muslimen nicht entgehen konnte 4. Natürlich erkannte dies auch Weil 5. Der Vers muß in eine Zeit fallen, in der man schon mit den Ungläubigen gekämpft hatte. Da sein Inhalt dem der ersten Verse - vgl. besonders V. 2. 3 - ähnlich ist, so haben wir anzunehmen, daß ihn entweder Muhammad selbst oder einer seiner Gefährten absichtlich an die übrigen angehängt hat. Aus unbekannten Gründen gilt einigen 6 auch V. 20 als medinisch.

Der übrige, größte Teil der Offenbarungen dieser Periode schildert mit Vorliebe die gewaltigen Naturumwälzungen , welche das Embrechen des jüngsten Gerichts beglieten, oder er malt mit grellen Farben die Freuden des Himmels aus und die Schrecken der Hölle. Es gibt keine großartigeren

überhaupt noch kaum die Kluft zwischen seiner Lehre und dem Christentum ahnte, habe die Christen nicht "Gläubige" nennen können, durchaus nicht stichhaltig.

1 Sonst reimen alle Verse auf id, ud, indem nur V. 20 (it) und V.22 (uz) eine leichte Verschiedenheit haben; aber V. 10 reimt auf iq, V.11 auf ir, ein später sehr häufiger Wechsel des Reims.

2 Hierher ist auch Baghawi's Angabe zu V. I zu ziehen, Gott habe den Propheten, ehe er öffentlich predigte, mit den Worten angeredet: er scheint also diese Sura noch vor Sura 111 und andere auf die öffentliche Predigt gehende Stellen zu setzen.

3 B.

4 Itq. 20, 36. Aber eine Tradition ‘Aïsa's läßt diesen Vers ein Jahr nach den übrigen geoffenbart werden. Vgl. F. zu V.4. 'Omar b. Muhammad.

5 K1. 56, K2. 65.

6 Itq. 20. 36. 'Alieddin IV, 338.


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Suren im ganzen Qoran, keine, in denen die leidenschaftliche Erregung des Propheten mächtiger hervortritt. Es ist, als ob man mit Augen sehe, wie die Erde sich auftut, die Berge zerstieben, und die Sterne durcheinander geworfen werden. Eine andere Gruppe von Suren, deren Schilderungen schon ruhiger, prosaischer sind, ist im großen und ganzen als etwas später anzusehen.

Die leidenschaftliche Unruhe tritt gleich in den kurzen Versen der Sur. 101 hervor. Die Gründe, welche Aug. Fischer 1 für eine Interpolation der Verse 7.8 geltend gemacht hat, sind, wie mir dünkt, ohne Beweiskraft. Zulässiger, obwohl von ihm gar nicht in Erwägung gezogen, wäre die Annahme einer Lücke zwischen V.6 und V.7. Aber auch das ist ebenso unnötig wie unwahrscheinlich. - Sur. 99, welche durch ihren rhetorisch und rhythmisch großartigen Eingang einen überwältigenden Eindruck macht, soll nach vielen 2 medinisch sein, wahrscheinlich, weil man V.7 f. von irdischen Dingen, von dem Siege der Muslime über die Heiden verstand 3. - Dieser Sura ähnlich, aber mit reicheren Bildern ausgeschmückt sind Sur. 82 u. 81. Mit letzterer wollen wir Sur. 53 verbinden, die zwar zu den spätern der ersten Periode, aber nicht zu dieser dritten Abteilung gehört. Beide Suren hängen indessen durch ihren Inhalt zusammen, indem in beiden vom Erscheinen des Engels geredet wird. In Sura 81 ist nur von einer Vision, in Sura 53 von zweien die Rede. Denn die im Anfang der 53. erwähnte ist dieselbe wie die in Sura 81 4), vgl. besonders Sur. 53, 7 mit Sur. 81, 23. Aber

1 In dem Aufsatze "Eine Qoran-Interpolation", Orientalische Studien, Theodor Nöldeke zum 70. Geburtstage gewidmet, Gießen 1906 I, 33-55. Ich stimme aber mit Fischer darin überein, daß die Möglichkeit von Interpolationen im Qoran unbedingt zugegeben werden muß.

2'Omar b. Muhammad b. 'Abd-alkaf i. Zam. B. Itq. 20 und 30. Hibat-allah erwähnt nicht einmal, daß sie von einigen der mekkanischen Zeit zugeschrieben wird. Vgl. auch die oben, S. 59ff., gegebenen Aufzählungen der Suren.

3 Vgl. Itq. 30.

4 Diese Erscheinung ist wohl als Nachtgesicht aufzufassen; aus Sur. 81, 15-18 ist mir wenigstens wahrscheinlich, daß die Offenbarung


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- in Sur. 53 wird noch eine andere Vision angedeutet, bei welcher der Prophet im Himmel zu sein glaubte (V. 13-18). Was Sprenger 1 dagegen sagt - er meint 2 sogar, V.15 sei wohl erst später hinzugefügt - können wir nicht billigen. Aus der Verbindung dieser Visionen mit dem späteren Traume von der nächtlichen Luftfahrt nach Jerusalem (Sur. 17), sowie unter Einfluß jüdischer oder christlicher Vorbilder 3 ist erst einige Zeit nach dem Tode Muhammeds die Legende von seiner Himmelfahrt entstanden. In den Schilderungen derselben haben sich die Muslime mit Vorliebe an den Wortlaut von Sur. 53 angelehnt.

Als Muhammed die Sura 53 öffentlich vorlas und zu den Versen (V.19-22) kam, worin die Heiden gefragt werden ob sie denn je ihre Göttinnen Allat, Al'uzza und Manat so gesehen hätten, wie er den Engel, da, heißt es rief er oder der Satan, indem er des Propheten Stimme nachahmte: "Dies sind die erhabenen Gharaniq, auf deren Fürbitte (bei Gott) man wahrlich hoffen darf"4. Die Episode erklärt ich aus der ängst-

im Ende der Nacht entstand, als die Sterne erblichen und die Morgenröte durchbrechen wollte.

1 Life S. 123ff.; Leben I, 306ff.

2 Life S. 133 Anm. - Leben I, 307 Anm. versteht Sprenger unter ma'wa V.15 ein Landhaus bei Mekka, in dessen Nähe Muhammad die Vision hatte. Durch diesen Einfall, den merkwürdigerweise A. Müller Der Islam I, S. 55, für plausibel halt, hat sich L. Caetani, Annali I 231, verleiten lassen, auch in sidrat al-muntaha V. 14 den Namen eines Ortes bei Mekka zu vermuten.

3 Ich erinnere an die bekannten Himmelsreisen der Ekstatiker, z.B. des Jesaia (ascensio Jesaiae). Weiteres siehe unten bei Sur. 17.

4 Eine sehr verbreitete Gestalt der Worte Lautet:

Ibn Sa'd ed. I, i, p.137, ii. I Atir II 5S. Wah. L.F.B. zu Sur. 22 51. Hibat-alla-h zu Sur. 20,113. Gurgani in der Ausgabe des Tirm. Vorrende S.3 u. Damiri s.v. Die üblichsten Varianten sind folgende. Für Tabari, Annales I, 1193, 6. 1194,1 Tibari, Tafsir zu Sur. 22,51 (ed. Cair. Vol. 17, 119ff.) No.3; Yaqut III, 665, 20.


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lichen Stimmung Muhammeds, der einen Kompromiß mit dem alten Glauben suchte, indem er jene Götter als Allah unter geordnete gute Wesen anerkannte.

Die Wirklichkeit dieses Ereignisses wird von Muir 1 und Sprenger 2 bejaht, indem sie darin ein erwünschtes Motiv sehen. den Propheten aufs neue als Betrüger zu brand-marken. Dagegen sucht der neueste Biograph Muhammeds. Leone Caetani 3, nachzuweisen, daß wir es mit einer späteren Erfindung zu tun haben. Seine hauptsächlichsten Gründe sind folgende: 1. Die Kette der Überlieferer (Isnad), auf die jene Tradition zurückgeht, ist wenig vertrauenswürdig. 2. Es ist unglaubhaft, daß die Quraisch, welche kurz vorher

Tab. Annales I,1195,8 codd. B.M.; Tab. Tafsir a.a.O. No.1; Zam. zu Sur. 22, 51. Für Tab. Tafsir No.4; Hibat-allah zu Sur. 22, 51; L. zu Sur. 17, 75; Tab. Tafsir No.6; Hamis 1, 289; L. zu Sur. 22, 51. - Tab. Tafsir No.6; Hamis I, 289; L. zu Sur. 22, 51; L. zu Sur. 22,51. - Für Tab. Annal. I, 1195, 8; Halabi ed. Cair. 1281 II,4; Hibat-allih zu Sur. 22,51 und L. a.. a.O. Tab. Annal. I, 1192, 14 codd. B.M. Tab. Tafsir No.1.4; Tab. Annal. 1,1192, 14. 1193,6. 1194,1; Tab. Tafsir No.2. 3. Über das Wort das von Vögeln verschiedner Art gebraucht wird, im Diwan der Hudailiten No. 157, 2 (ed. Wellhausen) von Wasservögeln, vgl. die Lexica, Nihaya und Damiri S. V, Über und in der Bedeutung "zarte Jünglinge" , "feine, vornehme Leute" vgl. Hamasa 608 und 607; Abu Zaid Nawadir 44,18, 45,7; andere Stellen bei Wellhausen, Reste arab. Heidentums S. 30 (2. A. S, 34). Wie diese Bedeutungen miteinander zu vermitteln sind, und wie das Wort in jenem Ausspruch Muhammeds eigentlich zu verstehen ist - gewöhnlich übersetzt man es da mit "Schwäne" - lasse ich dahingestellt. Übrigens wird auf das Ereignis öfter hinge deutet ohne ausdrückliche Erwähnung dieser Worte; z. B, bei Bh. Vgl. noch Weil, Anm. 64. Spr. Life 184f. Muir II, 150.

1 Life of Mahomet II,149ff.

2 Leben II 16ff.; auch von H. Grimme, Mohammed II 66f. und Frants Buhl, Muhammeds Liv 180f., aber ohne jeden Hintergedanken.

3 Annali dell' Islam I, S 278ff..


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-die Muslime zur Auswanderung nach Abessinien gezwungen hatten und gegen jeden, der auch nur ein paar Qoranverse hersagte, aufs schärfste vorgingen, eine ganze Sure ruhig mit angehört und damach sämtlich den Gottesdienst gemeinsam mit Muhammed verrichtet hätten. 3. Andere tatsächliche Kompromisse mit dem heidnischen Kultus, z. B. die Übernahme der Ka'ba in den Islam, zeigten eine ganz andere Methode. 4. Ein solch grober Irrtum wie die Zulassung der drei heidnischen Gottheiten zum muslimischen Kultus würde das ganze frühere Lebenswerk des Propheten vernichtet haben.

Gegen diese Behauptungen läßt sich jedoch verschiedenes einwenden. Der oben angedeutete Isnad ist sclion von muslimischen Gelehrten des 5., 6. und 7. Jahrhunderts verdächtigt worden. Aber abgesehen davon, daß diese im letzten Grunde von dogmatischen Motiven geleitet waren, ist überhaupt auf ihre Hadithkritik nicht viel zu geben. Wie besonders Ign. Goldziher 1 gezeigt hat, wimmelt die Literatur von falschen Überlieferungen, deren Isnad formal durchaus einwandfrei ist. Das im zweiten Argument Behauptete hat seine Richtigkeit, aber daraus folgt noch nicht die Unechtheit des Ausspruches an sich. Mag eine Tradition auch noch so viel fingierte Einzelheiten enthalten, es kann ihr doch ein geschichtlicher Kern zugrunde liegen. Die beiden letzten Argumente Caetani's haben mich ebenfalls nicht überzeugt. Der Ausspruch über die Gharaniq will ja die heidnischen Gottheiten nicht etwa dem einen Allah gleichstellen, sondern betrachtet sie als untergeordnete Wesen, denen nur das Recht der Fürbitte zusteht. Überdies standen Auferstehung und Gericht viel mehr im Mittelpunkte der Predigt Muhammeds als der starre Monotheismus 2, wie er ja auch die Christen, trotz ihrer polytheistisch anklingenden Trinitätslehre, anfangs nicht bekämpfte. Noch schlimmer ist es, daß Caetani die Entstehung

1 Muhammedanische Studien, Bd. II.

2 VgI. über diesen wichtigen Zug der qoranischen Theologie namentlich C Snouck Hurgronje in De Gids 1886 II, 259f. 455, III. 109 Rev. Hist. Relig. Vol.30, S. 63.150.


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der angeblich falschen Tradition nicht zu erklären vermag. Daß Muslime eine Geschichte, die ihren Propheten in ein so bedenkliches Licht setzte, nicht erdichtet haben, versteht sich von selbst 1. Wenn aber Häretiker sie ansgeheckt hätten, wie einige muslimische Theologen behaupten, so wäre sie nicht ohne weiteres in die orthodoxe Tradition eingedrungen. Es gibt demnach keinen andern Ausweg, als jenes Ereignis seinem wesentlichen Inhalt nach als historisch anzuerkennen.

Viele Traditionen verknüpfen dasselbe mit der Rückkehr einiger Muslime, welche die bekannte Auswanderung nach Abessinien mitgemacht hatten. Diese sollen nämlich bei ihrer Ankunft in Mekka erfahren haben, daß Muhammeds Ausspruch über "die erhabenen Gharaniq" inzwischen die Bekehrung vieler Heiden veranlaßt hätte. Wenn auch dieser Zusammenhang und die Bestimmung der beiden Ereignisse auf die Monate Ramadan und Sauwal des Jahres 5 der Berufung, welche allein Ibn Sa'd 2 hat, richtig wäre, so könnten wir daraus doch nur schließen, daß die beiden Verse damals entstanden sind. Obwohl dieselben andrerseits in Länge und Reim gut zu den andern passen, haben wir doch keine sichere Gewähr dafür, daß sie nicht etwa beim Vortrage in eine schon früher geoffenbarte Sura eingelegt wurden. V. 23 und V. 26-33 sind zwar ohne Zweifel etwas später als der übrige Teil der Sura, beziehen sich aber gleichfalls auf die Verse, welche Muhammed. als er zur Besinnung kam, herauswarf und für ein Werk des Satans erklärte. V. 58ff. bilden ein eigenes kleines Stück mit abweichenden Reimen. Muir II, 319 zählt die ganze Sura wegen ihrer größeren Länge oder wegen der eingeschobenen späteren Verse zur folgenden Periode (stage 4). Einige halten V. 33 3 oder V. 34-42 4 oder die ganze Sura 5 für medinisch.

1 Vgl. jetzt auch Th. Nöldeke, WZKM. Bd. XXI, S. 299.

2 Ibn Sad ed. I, I, S. 138, 12f.

3 'Omar b. Muhammad. Itq. 36.

4 Itq. 36.

5 'Omar b. Muhammad.


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Sura 84 schließt sich durch ihren Eingang an sura 82 und 81 an. V.25 (wörtlich Sur. 95 V.6) ist aus den oben S. 97 angegebenen Gründen wahrscheinlich sekundär. -Sura 100 wird von einigen 1 fälschlich für medinisch ausgegeben, well sie meinen, die ersten Verse gingen auf die im Kriege von Muhammed gebrauchten Reittiere 2. - Sura 79 besteht aus 3 Teilen: V.1-14; 15-26; 27-46. Von diesen ist der dritte wohl etwas später, ein Umstand, der zugleich mit dem etwas größern Umfang der Sura Muir anscheinend bewogen hat, die ganze Sura der folgenden Periode zuzuweisen. - Sura 77 wurde nach einer Tradition 3 geoffenbart, als sich Muhammed einmal mit mehreren Gefährten in einer Höhle bei Mina befand. V.48 bezieht man mit Unrecht auf die. Taqifiten, welche in den letzten Jahren des Propheten den Islam nur unter der Bedingung annehmen wollten, daß sie nicht zu beten brauchten 4. Die Sura ist noch bemerkenswert durch die öftere refrainartige Wiederholung 5 desselben Verses (15. 19.24.28.34.40. 45.47.49). - Sura 78 V.17 scheint schon Sura 77, 12ff. vorauszusetzen. V. 37 ff. sind ihrem Stil nach wahrscheinlich erst in der zweiten Periode hinzugekommen 6. Die seltsame Ansicht Hibat-allah's, die Sure sei als die allerletzte mekkanische am Tage vor der Auswanderung nach Medina entstanden, erklärt sich vermutlich daraus, daß man in V.17 eine Andeutung dieses Ereignisses fand 7. - Sur. 88 soll nach Hibat-allahi aus dem Jahr der Eroberung Mekka's (8 a. H.) stammen. - Sur. 89 gilt bei einzelnen Erklärern für

1 Ebend. Wah. Hibat.allah. Zam. B. Itq. 30.

2 Itq. 30. Wah. Tabari, Tafsir. Zam.

3 Bh. im kit. al-tafsir z. St. nach 'Abdallah b. Mas'ud. Itq. 45.

4 'Omar b. Muhammad. Itq. 37. Suyuti, Asbab al-nuzul.

5 Vgl. oben S. 42.

6 Flügel macht hinter V. 40 einen Verseinschnitt, was weder mit der guten Überlieferung übereinstimmt, noch mit der Tatsache, daß die von V.6 an gleichen Reime in der Paenultima alle langes a haben.

7 Unter ist das Gericht am jüngsten Tage gemeint. heißt aber auch "weggehen, sich entfernen", z. B. im Qoran Sur. 12, 94.


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medinisch 1. - In Sura 75 befinden sich ein paar Verse(16-19), die weder mit ihrer nächsten Umgebung noch mit andern Versen der Sura zusammenhängen. Auf welche Weise sie hierher verschlagen worden sind, ist nicht zu sagen. - Auch über Sura 83 haben wir viele falsche Angaben. Da nämlich die ersten Verse sich einigermaßen auf medinische Verhältnisse beziehen lassen 2, so werden zuweilen die ersten 6 3 oder die ersten 28 4 oder alle 5 Verse als medinisch aus gegeben. Nach andern ist die Sura, wie wir oben S. 59ff. sahen, entweder die letzte mekkanische oder die erste medinische. Endlich werden beide Meinungen durch eine dritte vermittelt, nach der sie zwischen Mekka und Medina entstanden ist 6. - Sura 69 wird von Muir zum folgenden Zeitraum gezogen, wohl wegen ihrer größeren Länge 7. -In Sura 51 sind V. 24ff. vermutlich erst später hinzugefügt.- In Sura 52, die schon eine etwas breitere Schilderung des Paradieses enthält, befinden sich einige Verse aus jem zweiten Zeitraume, nämlich V.21 8, der den Zusammenhang stört und auch ganz unverhältnismäßig lang ist, dremial so lang als der größte der übrigen Verse; ferner V. 29ff. Als Beispiele für den Unterschied ihrer Redeweise von der sonst in der ersten Periode herrschenden ihrer ich nur die Ausdrücke V.43 und V.43 (vom Anerkennen anderer Götter), sowie die Phraseologie des 48. Verses an, was alles dem spätern Sprachgebrauch Muhammeds angehört 9. Muir zählt diese etwas länge Sura, wohl auch

1 Itq. 29.

2 Itq. 28f. Zam. B.

3 Itq. 37.

4'Omar b. Muhammad. 'Alaeddim.

5 Itq. 28, 55. Suyuti, Asbab al-nuzul nach Nasai und Ibn Miga. Nach einer anderen Tradition bei 'Alaeddin gilt allein V. 13 als mekkanisch.

6 Itq. 29. 'Alaeddin.

7 Die ReimVerhältnisse der Sura sind sehr auffallend, V.1-29 Reim auf , V.30-32 auf V.33-52 gemischter Reim auf im, in, un, il.

8 Vgl. über diesen F. z. St. und Misk. kit. al-iman bi'1-qadar, fasl 3 § 5.

9 Vgl. oben 5.96 zu Sur.68, 1;ff


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-aus Rücksicht auf die spätern Verse, zur vierten Stufe. -Sura 56 1 ist nach Hasan Albasri medinisch 2. Andere behaupten dies nur von V.74-81 3 oder allein von V.81 4, den sie auf die Zweifler zu Medina beziehen. Einige sagen dasselbe von V.94 ff. oder endlich auch von V.1-3 5, vielleicht wegen einer vermeintlichen Anspielung auf die Schlacht bei Badr. Diese Sura kann als einheitlich betrachtet werden, obgleich mit V.74 ein neuer Tell zu beginnen scheint. Denn die Ausgänge beider Abschnitte (V.73.96) sind sich gleich, und V.87 ff. haben deutliche Beziehungen zum ersten Teil. Es wäre aber ebenso gut denkbar, daß eine besondere Offenbarung vorliegt, die Muhammed allerdings im Hinblick auf V.1-73 abgefaßt und deshalb später damit vereinigt haben müßte. Dann wäre V.96 (= V.73) redaktionell. - Der Anfang von Sura 70 scheint sich auf den von Sura 56 zu beziehen. Vielleicht fragte ein Ungläubiger Muhammed spöttisch um Aufklärung über jene Verse, und erhielt nun in dieser Offenbarung eine donnernde Antwort. In der Sura werden zuerst die Pflichten der Gläubigen etwas ausführlicher dargelegt. Die Verse 3.4 sind nach Weil 7 erst später hinzugefügt. Diese Vermutung ist aber nur hinsichtlich des letzteren einleuchtend, der tatsächlich wie eine Glosse aussieht V.30 - 32.34 finden sich wieder in Sura 23, 5-9. Da V.34 fast eine wörtliche Wiederholung von V.23 darstellt, darf man ihn wohl für später halten. Dann ist wahrscheinlich auch V.30-32 aus Sura 23 entlehnt. - Sura 55 gibt sich durch ihre ganze, fast spielende Weise als ein schon

1 Die Verse 8-10 seheinen nicht intakt überliefert zu sein. Da V.10, in dem hinter nach Analogie von V.26.40 wohl ausgefallen ist, nur Einleitung zum Folgenden sein kann, so sollte man meinen, daß der Sabiqun vorher schon einmal Erwähnung getan sein müßte. Außerdem passen die Fragen in V. 8.9 nicht gut hierher und sind vielleicht erst aus V.26.40 eingedrungen.

2'Omar b. Muhammad.

3 Itqan 36.44. Suyuti, asbab al-nuzul. F. zu V. 81.

4 Itqan 44.

5 Vgl. über diese abweichenden Meinungen Itq. 36.

6 K.2, 70 Anm.


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etwas späteres Erzeugnis, weshalb ich sie früher mit Weil zur zweiten Periode rechnete. Die Ansicht, die Sura sei ganz oder teilweise, oder doch V.29 1 sei medinisch, wird von den meisten muslimischen Gelehrten verworfen 2. Eine besondere, schon oben (S.42) angedeutete, Eigentümlichkeit des Stiles dieser Sura ist der bis zur Ermüdung wiederkehrende Refrain Er findet sich von V. 12 bis V.21 bei jedem dritten, von da bis zum Ende bei jedem zweiten Verse, mit Ausnahme von V.25-28 und V. 43-45 3, in denen wie im Anfange zwei Verse dazwischen stehen. Man begreift schwer, warum der Refrain nicht auch V.2-10 gebraucht wurde. Die moralische Nutzanwendung V.7.8. ist wohl erst später an V.6 angehängt worden. V.33 ist unverhältnismäßig lang und entbehrt des rhythmischen Schwunges so daß vielleicht nur die letzten fünf Worte (von an) zum ursprünglichen Bestande gehören.

An die Offenbarungen des ersten Zeitraumes schließen wir einige kleine Suren, die als Glaubens- und Beschwörungsformeln dienen. Zwar ist es kaum möglich, ihr Alter genauer zu bestimmen, da sie zu kurz sind und in ihrem ganzen Wesen von allen andern zu stark abweichen, um irgend einen festen Anhalt zu bieten, doch scheinen sie eher den frühern, als den spätern Zeiten Muhammeds allzugehören.

Sura 112 wird von vielen nach Medina versetzt, weil man sie für die Antwort des Propheten auf eine Frage der dortigen Juden über das Wesen Gottes ansah 4. Muir sett

1 Vgl. 'Omar b. Muhammad Itq. 27. 36 Zam. B.

2 Hibat.allah. Itq. 27.

3 Diese Ausnahme würde wegfallen, wenn v.43.44 der Flügelschen Ausgabe nur einen Vers bildeten, wie eine gute Überlieferung (Abu Yahya Zakariyya al-Ansari, kitab al-maqsad, ed. Bulaq 1281, z. St.) vorschreibt. Dadurch würde auch der sehr anstößige isolierte Reim auf un (V.43) beseitigt. Sonst finden sich auffallende Reime nur noch in V.16.17 (auf ain, sonst überall Reime auf an, ar, am), die dazu noch stilistisch aus dem Tenor des Umstehenden herausfallen.

4 His. 400. 'Omar b. Muhammad. Wali. Hibat.allah. B. - Aus Itq. 30 erfahren wir noch, daß dieser wie der ersten Sura von manchen ein doppelter Ursprung, zu Mekka und zu Medina, beigelegt wurde.


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sie in die älteste Zeit, gleich nach Sura 96. Was ihn anscheinend zu dieser Annahme bewog 1, ist die irrige Voraussetzung, Muhammed müsse gleich nach seiner Berufung eine Art Glaubensbekenntnis aufgestellt haben. - Sur. 109 enthält eine Antwort auf den Vorschlag der Mekkaner, dem Propheten zu folgen, wenn er ihren Göttern die gebührende Ehre widerfahren ließe 2. Sie kann erst entstanden sein, als Muhammed sich schon länger mit seinen Landsleuten herumgestritten hatte, so daß sie ihm derartige Bedingungen stellen konnten. Einige halten die Sura für medinisch 3, gewiß mit Unrecht; nach der Higra hätte er auf jenen Vorschlag 4 wohl anders geantwortet.

Noch schwieriger ist die Einordnung der von den Muslimen unter dem Namen "Mu'awwidatani" zusammengefaßten Suren 113 und 114. Nicht einmal Muir 5, der sonst jeder Sura einen ganz bestimmten Platz anweist, wagt etwas über sie zu sagen. Nach einer verbreiteten Tradition 6 wurden sie geoffenbart, um

1 H. Hirselifeld, New Researches S. 35.89.143, ist von den gleichen Motiven geleitet und führt die Sure als drittälteste auf, gleich nach Sur. 87 und 68. Mehr mit unserem Ansatze stimmen überein Sprenger, Leben II, 33f., Grimme II, 26.

2 His. 239. Tabari 1,1191 und im Tafsir. Wah. F. B. Weil K. 60 = 2 A. S. 69. Sprenger Leben II, 34f. Wir sahen oben (bei Sur. 53, vgl. auch Sur. 106), daß Muhammed derartige Anerbietungen nicht immer so streng abwies; aus jener Stelle erkennen wir auch, in welcher Weise sich die Heiden etwa eine Transaktion zwischen Muhummed und ihrem Glauben dachten. Damals ohnehin schon zu einer Art von Monotheismus sich hinneigend, wünschten sie nur eine anständige Stelle für ihre alten Götter, und Muhammed zeigte sich zuweilen bereit, sie als untergeordnete Wesen in seinen Himmel aufzunehmen, aber die strenge Einheitsidee kam bald wieder zum Durchbruch.

3 'Omar b. Muhammad. Hibat.allah.

4 Natürlich brauchen wir uns hier im einzelnen nicht an die Form zu kehren, in der uns die muslimische Überlieferung diese Anerbietungen der Ungläubigen darstellt.

5 Life of Mahomet II, 320.

6 Wah. F. Itq. 30f. Ibn Sa'd ed. I, iv, p. 5 f. Weil 94. Daß diese Suren von einigen für medinisch gehalten werden, erwähnen außerdem Zam. B. Itq. 20f. Jene Geschichte erzählen noch Bh. kitab al-tibb § 47. Muslim, kit. al.tibb § 2 (Q. IX, 19); Nasai, kit. tahrim al.dam § 19; Miskat, bab al-mu'gizat fasl 1 § 24, ohne dieser Suren zu gedenken.


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den Gesandten Allah's von der Krankheit zu befreien, die ihm der medinische Jude Labid angezaubert hatte. Man darf dagegen nicht einwenden, daß Muhammed ein so ausgesprochener Aberglaube nicht zuzutrauen wäre. Denn in dieser Beziehung hat er sicher nie aufgehört, die Anschauungen seiner Zeit und seines Volkes zu teilen, wie aus zahlreichen, durchaus glaub würdigen Zügen der Prophetenbiographie hervorgeht. Indessen sind die beiden suren ihrem Wortlaute nach ganz allgemein gehalten und nicht auf ein bestimmtes Ereignis zugeschnitten.Weil 1 hat die Tradition dahin modifiziert, daß der Prophet diese Beschwörungen damals nur gebrauchte, da sie nach ihrer Schreibweise älter sein müßten. Aber diese Ansicht ist nicht weniger anfechtbar. Denn Sprache und Stil, die sonst bei der Zeitbestimmung der Suren hervorragende Dienste leisten, lassen uns hier im Stich. In der ganzen Welt haben Zaubersprüche eine von dem herrschenden Stile der Zeit und der Individuen abweichende, altertümliche Redeweise. Gesetzt, Muhammed hätte selbst in seinen letzten Lebensjahren eine solche Zauberformel verfaßt, sie würde sich gewiß von dem gewöhnlichen Stil der medinischen Suren weit entfernt und mehr an den archaistischen Typus der heidnischen Averruncationssprüche angelehnt haben. Wir dürfen aber noch weiter gehen und die Vermutung aussprechen, daß der Prophet jene Suren überhaupt nicht frei erfunden, sondern eine altüberlieferte Vorlage nur leise in islamischem Sinne überarbeitet hat. Die drei letzten Verse - das ist mehr als die Hälfte - der Mu'awwidatani haben ja durchaus heidnisches Gepräge. Die Notwendigkeit einer Überarbeitung kann sich schon früh herausgestellt haben, da der Islam zwar den Glauben an böse menschenfeindliche Geister mit dem Heidentum teilte, aber doch von keinem anderen Gott als dem einzigen Allah Hilfe erflehen konnte. Wenn es fermer richtig ist, daß einige Suren, die auf Zauberformeln gegen die Macht des Satans Bezug nehmen (Sur. 23, 99; 16, 100; 41, 36 = 7, 199), der zweiten und dritten mekkanischen Periode angehören, so darf man die

1 K.1 60 Anm. 2; K.2 69 Anm. 3.


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Mu'awwidatani mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit für alter halten. Ihre Stellung am Ende des Qoranbuches verdanken sie vermutlich demselben Aberglauben, der bis auf den heutigen Tag die Muslime bestimmt, jeden Qoranvortrag mit der Formel "ich nehme Zuflucht zu Allah vor Satan, dem verfluchten" (Sur. 16, 100) zu beginner.

Ebenso wie die beiden Beschwörungs-Suren fällt auch das erste Kapitel des Qoran aus dem Rahmen der übrigen heraus. Während diese der Belehrung und Ermahnung dienen, enthält Sure 1 nichts als einen schwungvollen Lobpreis Allah's, der in eine Bitte um "rechte Leitung" ausklingt. Das spezifisch islamische Kolorit tritt hierbei derartig zurück, daß sich das Gebet in jedem jüdischen oder christlichen Erbauungsbuche sehen lassen könnte Gerade aus diesem Grunde ist die Frage nach seinem Alter so schwer zu beantworten. Unter allen Umständen ist es falsch, wenn man die Sura wegen des Ansehens, in dem sie von je her bei den Muslimen 1 stand, oder wegen der damit zusammenhängenden Stellung in unserm jetzigen Qoran, für die allerälteste 2 oder doch für eine der ältesten 3 hält. Obwohl schon allein der herrschende

1 Als erstes Kapitel des Qorins heißt sie al-Fatiha ("die eröffnende", eigentlich fatihat al-kitab, wegen ihres einzigartigen Inhaltes umm al-kitab (Bh., fada'il al-quran § 9, Tabari, Tafsir I, 35 usw.). Ihresgleichen findet sich nach einem angeblichen Ausspruch des Propheten weder in Thora, Evangelium und Psalmen noch im Qoran (Tabari, Tafsir I, 36, Wah. 12f. usw.). Als Gebet kommt sie an Bedeutung dem christlichen Vaterunser gleich. Die Überlieferung verzeichnet einen Ausspruch Muhammeds, daß kein Gottesdienst giltig sei, ja dem nicht die Fatiha vorkäme (Bh. adan § 93, cf. § 105; Tirm. salat § 63; Nasai, iftitah, § 24; Iba Maga, kit. al-salat, bab iftitah al qira'a). Als wirksames Zaubermittel fand sie schon in alter Zeit Verwendung (Bh., fada'il al-quran § 9 am Ende, kit. al-tibb § 33 usw.). Ein ebenfalls häufiger Name der Sure, al-hamd (z. B. Fihrist ed. Flügel S. 26, Itqan 150), ist von dem Anfangsworte hergenommen.

2 Hamis ed. Cair. I, 10. Darnach Weil 364, Anm.

3 Hamis a.a.O. Zam. Itq. 54. Wah. 11. Vgl. Weil a.a.O. - Die seltsame Angabe, die Fatiha sei sowohl zu Mekka als auch zu Medina geoffenbart (Vgl. 'Omar b. Muhammad; Zam; B; Itq. 25. 124; Hamis ed.


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Gebrauch von "Wir"1 anzeigt, daß Muhammed zur Zeit ihrer Entstehung bereits eine kleine Gemeinde um sich hatte, meint Muir 2 sogar, daß sie seiner ersten Stufe angehöre, d.h. der Zeit vor der eigentlichen Berufung zum Propheten. Vielmehr scheint die Sure frühstens aus dem Ende des ersten Zeitraumes zu stammen, da mehrere bemerkenswerte Wörter und Redensarten im ersten sonst gar nicht, aber häufig 3 im zweiten vorkommen Nicht so leicht ist es, die Grenze nach unten festzustellen. Denn das literarische Verhältnis von Sure 1 zu den unten in Anm. 3 verzeichneten Parallelen ist keineswegs deutlich.

Freilich, wenn diese Phrasen auf freier Erfindung Muhammeds beruhten, so wäre es umwahrscheinlich, daß sie ihre ursprüngliche Stelle in einem Gebete gehabt hätten. Denn ein liturgisches Formular mit fester Terminologie kann unmöglich in die ekstatische Periode einer Religionsstiftung zurückreichen, die nicht nur mit den theologischen Vorstellungen zu ringen hat, sondern auch mit deren sprachlicher Wiedergabe.

Cair. I, II), beruht auf einer falschen Auslegung des Wortes matani als "Wiederholung". Einige suchten die Schwierigkeiten dieser Angabe dadurch zu lösen, daß sie einen Teil der Sura zu Mekka, einen anderen zu Medina geoffenbart sein ließen, aber diese Erklärung wird verworfen (L. ltq. 25). Wenn ein paar alte Ausleger die Sura für medinisch erklärten (L. 'Omar b. Muhammad. Wah. Itq. 25), so geschah des gewiß ebensowenig einer Tradition zufolge, sondern eher wegen des angeblich im letzten Vers enthaltenen Gegensatzes zu den Juden and Christen. Denn schon in alten Traditionen werden jene , diese genannt. Al-Kalbi im Cod. Sprenger 404; Tirm. im Tafsir; Tabari, ed. Cair. I, 60ff.

1 zweimal.

2 Life of Mahomet II, 59.

3 (V.1) Sur. 18, 1; 34, 1; 35, 1; 27, 15; 17, 111. (V.1) Sur. 37 182; 40, 67; 39, 75; 10, 11. (V.5) 43, 42; 11, 59; 7, 15; 36, 3; 42, 52; 37, 118. Über al-rahman (V.2) siehe unten die Einleitung zu den Suren der zweiten mekkanischen Periode, al-rahim allein findet sich Sur. 52, 28.


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Nun ist aber, wie wir unten beweisen werden 1, der größte Teil der Sura, nämlich die Phraseologie der Verse 1.2.3.5, jüdischer oder christlicher Herkunft. Unter diesen Umständen

1 I. entspricht genau syrischem bezw. und neutestamentlichem . Daneben finder sich auch = Luc. 1,68 II Cor. 1,3, eine Formel, die schon im Alten Testament vorkommt, Exod. 18, 10 etc. Tobith 8,5, und, mit einer kleinen Änderung, in der jüdischen Liturgie herrschend geworden ist .

II. Hiermit sind folgende Phrasen zu vergleichen: Targum Qohel. 7, 3.13, 9,7; Ruth. 4,21; Gen.9,6 J.; Gen. 22, 1. 5, 49,27; Exod. 12, 11,19,17; Num.21, 1.14; Palmyrenisch de Vogüé no.73, 1 (Cook, Textbook of north-semitic inscriptions p.296). - Mandäisch Sidra Rabba p.1, un. 21, p.36 1.9. - Exod. 23, 17 0. O. J. u. ö. - sehr häufig in den Midraschen und am Anfang jüdischer Gebete. - Targ. Mich. 4, 13; Cant. 1,1. - Targ. Qohel. 8, 3; Gen. 18, 30ff.; Num. 23,19. - (oft im Midrasch). - In der jüdischen Liturgie ist am gebräuchlichsten (schon Jerem. 10, 10; aber Targ. Jes. 6,5, Zach. 14, l6 Im NeuenTestament Apoc. 15, 3 (andere codd.). - Änthiopisch: egz'a (kuellu) 'alamat Jubil. ep. 31 (ed. Dillm. p.112, 2 v.u.); Henoch 81, 10 amlaka 'a~laim ('alam(~t) Jubil. cp. 12 p. 52,i; aml~kumu Za'alamat Jubil. Ep. 25 p. 93,12f.

III. Daß der Name den Mekkanern neu war, ersehen wir aus Sura 17, 110, 25, 61, vgl. die Kommentare; His. 747, 11; Tabari I,1546, 9. Gänzlich unbekannt war er aber in Arabien keineswegs. Auf sein Vorkommen in den Gedichten des Buraiq (Diwan der Hudhailiten ed. Wellhausen Nr. 165, 6) und des Suwaid b. abi Kahil (Mufaddaliyat ed. Thorbecke No.34, 60) ist freilich nicht viel zu geben, da diese Männer den Islam erreicht haben, andererseits auch muslimische Korrektur vorliegen kann, wie Ibn al Atir, Kamil ed. Tornberg I, 450, 2. Bedeutsamer ist schon, daß der Prophet Musailima seinen Gott mit bezeichnet, Tabari, I, 1933, 12, 1937, 3, und daß er sogar selbst "der Rahman von Jemama" genannt wird, wie sein südarabischer Rivale Aswad "der Rahman von Jemen" heißt (Beladori - 105, 6; Tabari I, 1935, 14; His. 200,3; Zamahsari zu Sure 1). Wenn hierin eine Nachahmung Muhammeds zu erblicken wäre, so würde unverständlich bleiben, warum die Wahl gerade auf einen Namen fiel, der nur in der mittleren mekkanischen Periode für Allah gebraucht wurde. Wir sind aber in der glücklichen Lage, authentische Urkunden aus vorislamischer Zeit zu besitzen, in denen rahman vorkommt, nämlich 6 sabäische Inschriften,


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könnte die Fatiha sehr wohl älter sein als die oben verzeichneten Parallelen. Dies würde noch wahrscheinlicher wenn V. 1-5 dem Propheten schon als fertige Komposition

Mordtmann-Müller n. 43, 2 (Denkschriften der Wiener Akademie, phil. hist. Klasse Bd.33, 1833, S. 96f.); Fresnel 3,3; Halévy 63, 7; ZDMG. Bd. 30, 671, WZKM. 10, 285ff.; Glaser 554, Zeile 32; Glaser 618, Zeile 2 (vgl. Eduard Glaser, Zwei Inschriften über den Dammbruch von Marib, 1897). Die diesen Texten gemeinsame Wortgestalt wird gewöhnlich als Plural aufgefaßt. Aber aus Glaser 554, durch Zusammenhalten von Zeile 32 mit 81f. geht deutlich hervor, daß hier wie an den anderen Stellen ein Singular vorliegt. Dieser Sprachgebrauch kann sich unmöglich spontan entwickelt haben, sondern muß auf Entlehnung beruhen. Nun ist im christlichen Aramäisch rahman außerordentlich selten, z. B bei Ephrem (siehe P. Smith s.v.) und im christlich-palästinischen Aramäisch. Peschittha gibt alttestamentliches sowie und durch wieder. Dagegen erfreute sich im jüdischen Schrifttume, von den Targumen an, einer solchen Beliebtheit, daß es z. B. in den beiden Talmuden zu einem gebräuchlichen Eigennamen Gottes geworden ist. Die alten arabischen Lexikographen, wie Mubarrad und Ta'lab, welche seinen hebräischen Ursprung behaupten ( Itqan 321, Lisan XV, 122), sind demnach wohl ziemlich im Rechte. In letzter Linie scheint rahmana syrische Wiedergabe des assyrischen remenu zu sein, als Epitheton verschiedener Gottheiten kommt das Wort schon in den palmyrenischen Inschriften des 1.2. und 3. Jahrhunderts vor, vgl. Cook a.a.O. S.295.300.301.

ist zwar eine echt arabische Bildung, aber die spezielle Bedeutung "barmherzig" beruht hier wie in allen anderen Formen dieser Wurzelklasse auf Angleichung an nordsemitischen Sprachgebrauch. Vielleicht hat es noch Muhammed selbst im Sinne von "liebreich, gütig" verstanden, wie es z. B. auf dem zweisprachigen Heidelberger Papyrus No.21 (Papyri Schott-Reinhardt I, herausgegeben und erklärt von C. H. Becker, Heidelberg 1906, S.103) durch wiedergegeben wird. Doch macht die enge Verbindung der beiden Ausdrücke wiederum wahrscheinlich, daß das Adjektiv rahim nur behufs Steigerung des Begriffes zu dem Substantiv rahman gesetzt worden ist. Abgesehen von der Basmala and von Sur. 1, 2 findet sich die Verbindung al-rahim nur in einigen Suren der zweiten und dritten mekkanischen Periode (Sur. 2, 158, 27, 30, 41, 1) sowie 1 mal in einer medinischen Stelle (Sur. 59, 22).

IV.schon Judith 16, 17. Test XIII patriarch. Bei Levi am Anfang, häufig im Neuen Testament und darnach Peschittha Ephrem Targ. Qohel.


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vorgelegen hätten. Hat er aber nur die einzelnen Phrasen entlehnt und sie alsdann frei zu einem Gebete zusammengestellt, so kann Sure I auch jünger sein.

Das Rätsel der Abfassungszeit würde auf einen Schlag gelöst sein, wenn die Worte "sieben von den matani Sur. 15, 87 1, wie viele muslimische Exegeten behaupten, sich wirklich auf Sur. 1 bezögen 2. Das ist aber sehr die Frage. Der Ausdruck "sieben von den matani schließt die Voraussetzung ein, daß es noch andere matani gegeben hat. Darum kann die muslimische Tradition, welche stillschweigend "die sieben matani" dafur setzt. nicht im Rechte sein. Was den Sinn von matani anbetrifft, so ist keine der überlieferten Bedeutungen, "Wiederholungen"3 oder ,"Verse",

3,15.17, 7, 15, 12, 14; Hiob 5,4; im Gebet des Elxai Epiph. Haeres. 19,4, cf. ZDMG. 12, 712; Mechiltha zu Exod. 6, 25. Äthiopisch 'elata kuenane 'abai Henoch c. 16,1; 'elata dain Jubil. C. 4 (p. 18, 2).

Die Phrase "König des Gerichtstages" kann ich nicht belegen, obwohl das Königtum des Messias eine nicht nur den juden (z. B. Targum J Num. 24, 7.17), sondern auch den Christen (Matth. 2.2; Mc. 15, 2ff.; Joh. 19,3ff. usw.) ganz geläufige Anschauung ist.

V. entspricht so gut wie wörtlich Psalm 27, 11 Damit ist aber nicht gesagt, daß Muhammed diese Worte nur von Juden bezogen haben könnte (vgl. oben S. 7).

Ob die beiden folgenden Verse freie Erfindung des Propheten oder nur überliefertes Interpretament sind, können wir nicht bestimmt sagen, obgleich die etwas harte Diktion sich gut aus Übersetzungsschwierigkeiten erklären würde. Die Bezeichnung des Verhaltens der Ungläubigen als "Irregehen", wie im letzten Verse der Sura, ist im Qoran außerordentlich als häufig. in diesem religiösen Sinne entspricht aramäischem und ist der jüdischen wie christlichen Literatur geläufig. Die Christen dachten bei mit der Zeit immer mehr an die Häretiker als an die Heiden.

1 "Und wir haben zu dir gebracht sieben von den Matani und den gewaltigen Qoran.

2 Muwatta' 28; Bh., kit. al-tafsir zu Sur. 1 und 15, 87, fada'il al-quran § 9; Tirm. fada'il al-quran im Anfung, kit. al-tafsir zu Sur. 15, 87; Nasai, kit. al-iftitah § 26; Wah; Itq. 124; Kommentare, besonders Tabari, und Wörterbücher.

3 Die Bezeichnung "Wiederholungen" wird hergeleitet von dem häufigen Gebrauch der Fatiha in der Gebetsliturgie oder von der immer


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gesichert. An der einzigen Stelle, in der matani sonst noch im Qoran 1 vorkommt (Sur. 39,24), hat es ebenfalls keinen klaren Sinn. Aber annehmbarer als eine jener Bedeutungen scheint mir die Vermutung A. Geiger's 2, daß es mit jüdischem misna - besser wäre zu sagen mit jüdisch-aramäischem matnitu - "Tradition" zusammenhange. Diese Bedeutung könnte auch in Sur. 15, 87 verliegen 3.

Schließlich macht die Teilung der ersten Sura in sieben Verse große Schwierigkeiten. Denn um diese Zahl zu erhalten, müssen wir, da wegen des mangelnden Sinnabschnittes und Reimes kein Versende bilden kann, von den verschiedenen Zählungsweisen der folgen, nach welcher die Überschrift als ein Vers mit zur

wiederkehrenden Surenüberschrift "Im Namen Gottes", die, vie wir noch sehen werden, von vielen als erster Vers der Fatiha gerechnet wird; oder von dem zweimaligen Vorkommen der Wendung al-rahman al-rahim in dieser Sura. Die Bedeutung "Vers. (= ) wird damit begründet, daß es die Eigentümlichkeit der Verse sei, einander zu folgen ( ), oder daß Allah Muhammed vor den anderen Propheten (vgl. oben S.110 Anm. 1) damit ausgezeichnet habe Vgl. hierzu die Kommentare, besonders Tabari zu Sur. 15,87 (Bd. 14 S. 32-38) und Itqan 124, das noch andere seltsame Erklärungen aufzählt. Über die Gleichsetzung von jüdischem misna mit arabischem matnat im Hadith vgl. Ign. Goldziher in ZDMG. Bd. 61 (Jahrg. 1907) S. 866ff.

1 "Allah hat die schönste Kunde herabgelassen in Gestalt einer ebenmäßigen (?) Matani -Schrift, vor der den Menschen die Haut schaudert".

2 A.a.O. S. 58, dem sich Sprenger I, 463 anschließt und matani mit "Wiederoffenbarung" übersetzt.

3 Diejenigen muslimischen Exegeten, welche sich bei der Erklärung von Sur. 15, 87 an Sur. 39, 24 orientieren, beziehen deshalb sab'an min al-matani nicht auf die Fatiha, sondern teils auf den ganzen Qoran, mit der Begründung, daß dessen Inhalt siebenfacher Art sei Tabari, Tafsir z. St. Bd. 14 S.36, 9 f.), oder weil seine einzelnen Erzählungen öfter wiederholt würden - teils auf die 7 langen Suren, worunter die einen, wohl die


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Sura zu ziehen ist 1. Indessen wird diese Überschrift bei den andern Suren von den meisten nicht als Vers gerechnet. Sie bildet auch keineswegs einen integrierenden Bestandteil der Fatiha, deren eigentlicher Anfang, nach Analogie der jüdischen und christlichen Gebete, vielmehr in den Worten "Preis sei Gott" zu sehen ist 2. Hat aber Sur. 1 nur sechs Verse, so können schon allein aus diesem Grunde die "sieben matani" von Sur. 15, 87 nicht auf sie hinweisen.

Die Einleitungsformel "Im Namen Gottes", von den Arabern kurz tasmiya oder gewöhnlich basmala genannt, geht auf den Sprachgebrauch der Bibel 3 zurück. Freilich kommt diese Wendung dort immer nur in der Verbindung mit Tatwörtern vor, aber Phrasen wie "im Namen Gottes anrufen"

meisten, Sur. 2-7.10 verstehen, andere Sur. 2-8, andere Sur. 2-7, mit der Bemerkung, daß ihnen die letzte der sieben unbekannt sei. Vgl. hierzu besonders Tabari im Tafsir zu Sur. 15, 87 und Itqan 124.

1 Die Basmala wird als Vers gezählt von den Mekkanern und den Kufiern; von den letztern tut dies Hamza nur bei dieser Sura Andere machen einen Versabschnitt nach Die Einteilung in 7 Verse ist zwar die bei weitem häufigste, aber nicht die einzige, wie Zam. B. u.a.m. behaupten, denn andere rechnen 6, indem sie die Basmala nicht mitzählen und doch nach keinen Einschnitt machen, oder 8, indem sie jene mitzählen und hier ein Versende annehmen, oder gar 9 Verse, indem sie auch nach einen Abschnitt machen. Vgl. Itq. 159 f. 'Omar b. Muhammad. Zam. B. Sagawandi über die Pausen (Wiener Hand schrift Mit. 717). Leidner Handschrift 653 Warn. fol. 230, 232 V, 233r, 239r. Itq. 185f. Abu Yahya Zakariya al-Safi'i, kitab fi'1-waqf wa'l-ibtida, Bulaq 1281, p.14. Muslim, kit. al-salat, bab 15, (Qast. III, 26-28).

2 kommt auch sonst einigemal am Anfang von Suren vor, Sur. 6, 1; 18, 1; 34, 1; 35,1, also in lauter mekkanischen Stücken. Über das Vorkommen des religiösen Terminus "preisen" in den sabäischen Inschriften vgl. J. H. Mordmann - D. H. Müller, Eine monotheistische sabäische Inschrift, in WZKM. X, S. 285ff., besonders S. 286.

3 Vgl. im Alten. im Neuen Testament. Griechischer Sprachgebrauch hat, soviel wir heute wissen, diese Formel nicht ausgebildet s. Albrecht Dieterich, Eine Mithrasliturgie S.115.


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und Stellen wie Col. 3, 17 setzen, worauf ich schon oben S. 81 hingewiesen habe, den absoluten Gebrauch der Formel voraus. So gehen auch die zwei einzigen Stellen des Qorans, in denen sich, abgesehen von den Surenüberschriften, die Basmala findet, unverkennbar auf jüdische Quellen zurück. Sura 11, 43 (Noahlegende) heißt es: "Besteiget sie (nämlich die Arche) im Namen Gottes!" Sura 27, 30 erwähnt einen Brief Salomos an die Königin von Saba, der mit den Worten bismillah al-rahman al-rahim beginnt. Dieser Vers von besonderer Wichtigkeit. Denn abgesehen von den Überschriften ist er nicht nur die einzige Stelle für das Vorkommen der erweiterten Form der Basmala innerhalb einer Sura, sondern auch, falls die Basmala nicht zum ursprünglichen Texte der Fatiha gehört, die älteste Stelle für die Formel überhaupt. Sura 27 ist aber etwa in der mittleren mekkanischen Zeit entstanden. Die nächsten sicheren Zeugnisse für den Gebrauch der Formel seitens des Propheten sind die überlieferten Texte 1 der Gemeindeordnung von Medina, des Vertrages von Hudaibiya und der Sendschreiben an die heidnischen Stamme, was alles der medinischen Periode angehört Wenn es auch nicht zweifelhaft sein kann, daß Muhammed von einer gewissen Zeit an die Basmala an die Spitze der Suren zu setzen pflegte, so ist doch dieser Zeitpnnkt unbekannt. Die Tradition 2 sieht in der Basmala sogar die älteste Offenbarung, es ist aber nicht einmal sicher, ob der Prophet diese Formel überhaupt je als Teil der Offenbarung betrachtet hat.

1 Vgl. His. 341ff. 747 Tabari I, 1546; J. Wellhausen, Skizzen und Vorarbeiten IV, 87ff.

2 Tabari in der Einleitung zum Tafsir (ed. Cair. I, 37ff.); Wah. in der Einleitung (ed. Cair. S l0f.); Cod. Lugd. 653 fol. 275v; Itq 54f., 184ff. usw Nach einer anderen Tradition (Wah. zu Sur. 17, 110, ed. Cair. S. 223) ist die Basmala erst nach der Offenbarung des Verses Sur. 27,30 von Muhammed gebraucht worden.


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